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EU-Beitrittsangebot an die UkraineMoralpolitik gegen Demoralisierung

Gemma Teres Arilla
Kommentar von Gemma Teres Arilla

Mit dem Beitrittsangebot will die EU der Ukraine ein ermutigendes Signal senden – und anderen globalen Playern den Wind aus den Segeln nehmen.

Harmonieren schon farblich: EU und Ukraine Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

L aut Umfragen war die Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung für einen EU-Beitritt noch nie so groß – der Krieg war der Hauptauslöser. Eine Erhebung spricht von 90 Prozent im April – vor drei Jahren lag diese Zahl bei 60 Prozent. Dieses Stimmungsbild und die Tatsache, dass Präsident Wolodimir Selenski den Antrag auf den Beitritt zur EU erst kurz nach Februar 2022 unterzeichnet hat, zeigt, dass die EU als geostrategisches Projekt verstanden wird.

Dass, noch während der Krieg im Land tobt und während die Mammutaufgaben im Bereich Korruption nicht erfüllt wurden, die Europäische Kommission den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine (und auch Moldau) empfiehlt, zeigt, dass auch für Brüssel die EU zum geopolitischen Projekt geworden ist. Warum? Um dem Einfluss der anderen globalen Player (Russland, China, Saudi-Arabien) entgegenzuwirken, bevor es zu spät ist.

Das bestätigt auch die Tatsache, dass Brüssel sich am Mittwoch für Georgien als Beitrittskandidat ausgesprochen hat. Doch eine EU-Mitgliedschaft wird nicht automatisch Frieden im Osten mit sich bringen und auch keine Besänftigung der Beziehungen mit dem Nachbarn Russland. Das im Jahr 2014 zwischen der Ukraine und der Europäischen Union (EU) unterzeichnete Assoziierungsabkommen zeigte eher das Gegenteil. Seither hat das Land acht Jahre Krieg im Osten und bald zwei Jahre Angriffskrieg erlebt.

Brüssel aber hat es eilig, den Partnern in der Ukraine ein starkes Zeichen zu schicken. Der Krieg im Nahen Osten lenkt die internationale Aufmerksamkeit ab, und in Kyjiw besteht die Sorge, von den politischen Verbündeten alleingelassen zu werden. Grünes Licht für die Beitrittsverhandlungen wirkt da als moralisches Stärkungsmittel, selbst wenn sich EU-Mitglieder nicht mal einig sind.

Der Streit über nationale Interessen, bei dem Bulgarien seine Position gegenüber dem EU-Beitrittskandidaten Nordmazedonien ausspielt, zeigt, wie es laufen kann. Über die EU-Erweiterung müssen noch die EU-Regierungschefs entscheiden, und Länder wie Ungarn und die Slowakei sehen eine Ukraine in der EU extrem kritisch. Dazu kommt noch die ewige Diskussion über die Notwendigkeit, die EU vor einer möglichen Erweiterung zu reformieren – etwas, was dringend notwendig ist. Mal sehen, ob die Bundesregierung weiterhin diese Bedingung nun gegenüber ihren EU-Partner vertreten wird.

Positiv ist, dass mit dem pragmatischen geostrategischen Weg der EU die Balkanländer, die zum Teil seit zwanzig Jahren im Wartezimmer sind, eine Erfrischung gegen „Erweiterungsmüdigkeit“ bekommen haben und der Prozess im Balkan teilweise wiederbelebt wurde.

Doch wenn die EU ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren will, darf sie nicht allein bei geostrategischen Zielen bleiben, sondern muss sich an ihre wirtschaftliche und politische Grundlage samt den Prinzipien und Richtlinien halten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass, wenn offizielle Beitrittskandidaten zu lange im Limbo bleiben, andere globale Akteure ihnen interessantere geostrategische Deals anbieten. Der Westbalkan, mit etwa Serbien, zeigt es bereits.

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Gemma Teres Arilla
Leitung taz Panter Stiftung
Jahrgang 1982, ist Leiterin der taz Panter Stiftung. Zuvor war sie stellvertretende Auslandsressortleiterin und taz-Europa-Redakteurin. Bei der taz hat sie im Mai 2022 als Themen- und Nachrichtenchefin angefangen. Sie berichtet seit 2005 als freie Korrespondentin für Tageszeitungen, Fernseh- und Radiosender über Deutschland, Zentral- und Osteuropa. Ihre Karriere als Journalistin hat sie in Spanien gestartet und an der FU Berlin hat sie sich auf Osteuropa und Russland spezialisiert. Mehrere multimediale Projekte hat sie initiiert und durchgeführt, um Mehrsprachigkeit, Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft zu fördern.
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4 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Doch wenn die EU ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren will, darf sie nicht allein bei geostrategischen Zielen bleiben, sondern muss sich an ihre wirtschaftliche und politische Grundlage samt den Prinzipien und Richtlinien halten.""

    ==

    Das BMZ fördert momentan Unternehmensinitiativen für den Wiederaufbau in der Ukraine mit



    20 Millionen Euro. Zusätzliche Mittel für privatwirtschaftliche Initiativen stehen Unternehmen über einen Sonderwettbewerb für die Ukraine zur Verfügung. Mit dem Programm develoPPP fördert das BMZ privatwirtschaftliche Vorhaben dort, wo unternehmerische Chancen und entwicklungspolitisches Potenzial zusammentreffen. Unternehmen, die nachhaltig in einem Entwicklungs- oder Schwellenland investieren und ihre operative Tätigkeit vor Ort ausbauen wollen, können im Rahmen des Programms finanzielle und fachliche Unterstützung erhalten.

    Zum Beispiel -- Habeck hat bei seinem letzten Ukrainebesuch ein Krankenhaus besichtigt - das dank deutscher Unterstützung mit Wärmepumpen beheizt wird. Laut Wirtschaftsminister soll die Energieversorgung ein Schwerpunkt beim Wiederaufbau der Ukraine sein.

    Geostrategie hin oder her: Mit dem Beitrittsangebot will die EU vor allem ein Signal senden wohin die Reise geht. Ohne eine klare Haltung der EU wird wohl kaum jemand in der Ukraine investieren wollen.

  • Ein Blick auf die Türkei zeigt, dass Beitrittsverhandlungen sehr laaange dauern können, und das Ergebnis auch ungewiss ist.

    Bei der Ukraine jedenfalls werden diese auch seeehr lange dauern, so korrupt und arm, wie das Land eben ist.

  • Warten wir mal den Wahlkampf und die Entscheidung des Souverän am 6. Juni 2024 ab. Erklärungen zu Absichten - die Türkei kann ein Lied davon singen.

    • @Martin Rees:

      Wahl geht los am 6.6. in NL



      Unsere Nachbarn hatte ihre eigene Meinung in der Vergangenheit

      www.tagesschau.de/...u-ukraine-103.html

      Von "in trockenen Tüchern" ist noch sehr vieles bei den Verhandlungen zu EU-Verträgen weit entfernt, auch auf dem Balkan.

      www.deutschlandfun...ment-wahl-102.html



      "Unvereinbar sind zudem die Positionen zu Russland und dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die AfD, insgesamt die radikalste der in der ID-Fraktion zusammengeschlossenen Parteien, steht in Vasallentreue zu Wladimir Putin; auch die FPÖ und der Rassemblement National haben engste Beziehungen nach Moskau. Die PiS-Partei aus der EKR-Fraktion gehört hingegen seit jeher zu den härtesten Gegnern jeder Anbiederung an Moskau."