EU-Außenpolitik: Die EU sitzt in der Falle von US-Präsident Trump
Brüssel übt Solidarität mit Selenskyj und verhängt Sanktionen gegen Russland. Ein Friedensplan? Fehlt.
Trump hatte Selenskyj vorgeworfen, Wahlen abzulehnen und damit ein Diktator zu sein. „Als Diktator ohne Wahlen sollte Selenskyj besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben“, drohte der US-Präsident. Zuvor hatte er Neuwahlen in der Ukraine gefordert. Die will auch Russland – sie könnten sogar zur Vorbedingung für einen Friedensdeal zwischen Washington und Moskau werden.
In Brüssel sieht man dies mit großer Sorge. Als Zeichen der Solidarität will die EU-Kommission am Montag – dem Jahrestag des russischen Einmarschs – nach Kyjiw reisen. Auch Ratspräsident António Costa fährt mit, um seine Unterstützung für das „heldenhafte ukrainische Volk und den demokratisch gewählten Präsidenten Selenskyj“ zu bekräftigen.
Ebenfalls am Montag wollen die EU-Außenminister neue Sanktionen gegen Russland beschließen. Sie sehen ein Verbot von Aluminiumimporten vor. Zudem werden 13 weitere russische Banken vom internationalen Zahlungssystem Swift abgeschnitten. Die EU will auch gegen 73 weitere Schiffe der russischen Schattenflotte vorgehen. Dies sei auch eine Botschaft an Trump, heißt es in Brüssel.
Keinen Plan für Frieden
Allerdings fährt der Republikaner den entgegengesetzten Kurs – er will US-Sanktionen lockern, um wieder ins Geschäft mit Russland zu kommen. Käme es so, hätten die Europäer das Nachsehen. Sie könnten sogar gezwungen sein, auch ihre Strafen aufzuheben. Auf diesen Fall sind die Europäer nicht vorbereitet. Auch für eine Friedenslösung haben sie keinen Plan.
„Es gibt keine Lösung ohne die Ukraine und die EU“, heißt die offizielle Linie, die die EU-Kommission am Donnerstag bekräftigt hat. Allerdings verhandeln die USA und Russland bereits – ohne die Europäer. Zudem fehlt der EU eine Strategie. Eine zweite Runde, zu der Frankreichs Staatschef Macron am Mittwoch nach Paris geladen hatte, blieb ohne Ergebnis.
„Wir stehen an der Seite der Ukraine und werden all unsere Verantwortung wahrnehmen, um Frieden und Sicherheit in Europa zu gewährleisten“, erklärte Macron nach dem Treffen, an dem laut Élysée-Palast 19 Staaten teilnahmen. Doch wie bei einer ersten Runde am Montag gab es keine Beschlüsse. Friedenstruppen für die Ukraine? Fehlanzeige.
Unklar bleibt auch, ob und wie die EU doch noch einen Weg an den Verhandlungstisch finden könnte. Trump will sich schon bald mit Kremlchef Wladimir Putin treffen. Doch bisher hat die EU keinen Friedensplan. Zudem ist unklar, wer an einem Friedensgipfel teilnehmen könnte. Macron hat zwar das Kommando übernommen – doch eigentlich wären Costa und die Brüsseler EU-Spitzen gefragt.
Sondergipfel erst in zwei Wochen
Die offiziellen EU-Vertreter kommen jedoch nicht in die Gänge. Erst in zwei Wochen könnte ein Sondergipfel in Brüssel stattfinden, sagen EU-Diplomaten. Dann ist der Ukraine-Zug womöglich schon abgefahren. Trump ist ohne Absprache vorgeprescht und hat die Europäer mit maßlosen Zoll-Drohungen in die Enge getrieben – nun sitzen sie in der Falle und winden sich.
Dass Deutschland am Sonntag wählt, macht es nicht besser. Bis die neue Bundesregierung handlungsfähig ist, könnten Wochen vergehen. Nur bei der Aufrüstung dürfte es schnell gehen: Die EU-Kommission hat Vorschläge für mehr Waffen für Kyjiw und höhere Rüstungsausgaben in der Schublade. Sie sollen erst nach der Wahl bekannt gegeben werden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen