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EU-Außenminister beraten in BrüsselWillige gegen Abtrünnige

Vor dem EU-Gipfel gibt es in der Flüchtlingsfrage tiefe Gräben in der Europäischen Union. Lösungen sind nicht in Sicht. Treffen finden separat statt.

Der 20-jährge Syrer Pelen Hussein wird am 10. Februar von der türkischen Küstenwache aus den Fluten der Ägäis gerettet. Foto: dpa

Brüssel taz | Die Flüchtlingskrise spaltet Europa mehr denn je. Kurz vor dem EU-Gipfel am Donnerstag, bei dem Kanzlerin Angela Merkel ihre „Koalition der Willigen“ zu Hilfe rufen möchte, wollen nun die Osteuropäer Fakten schaffen.

Bei einem Treffen in Prag wollte die Visegrad-Gruppe (Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei) am Montag eine Schließung der Grenze in Mazedonien vorbereiten. Auch Bulgarien und Österreich haben Hilfe zugesagt.

Sollten sie ihre Drohung wahrmachen, wäre nicht nicht nur die so genannte Balkanroute nach Deutschland abgeriegelt. Gleichzeitig wäre auch Griechenland isoliert, wo die meisten Flüchtlinge ankommen. Diese düstere Perspektive hat nun die EU-Außenminister auf den Plan gerufen.

Vermeintliche „Einfachstlösungen“ zur Bewältigung der Flüchtlingskrise führten nicht weiter, mahnte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Dazu gehöre auch die Debatte über Grenzschließungen und Erwägungen, Griechenland aus der EU „herauszudrängen“.

Asselborn droht

Eine scharfe Warnung formulierte auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Die Visegrad-Gruppe sei im Begriff, einen „Verein der Abtrünnigen“ zu gründen, sagte er. Sollten sie ernst machen, werde es in Brüssel sehr schnell die Debatte darüber geben, dass alle, die Solidarität erfahren, auch Solidarität zurückgeben müssten.

Asselborn spielte damit auf die EU-Hilfen an, die die Osteuropäer seit ihrem Beitritt erhalten haben. Vor allem Österreich fordert immer wieder, die Strukturhilfen zu kürzen oder zu streichen, wenn sich die Länder nicht solidarisch zeigten.

Allerdings spielt auch Österreich ein doppeltes Spiel

Allerdings spielt auch Österreich ein doppeltes Spiel. Die Regierung in Wien will eine tägliche Obergrenze für den Grenzübergang aus Slowenien verkünden. Ein Innenministeriumssprecher sagte am Sonntag, so wie auch Deutschland werde Österreich eine tägliche Quote für Migranten festlegen.

Merkel-Runde mit Hollande

Zudem hat Wien angekündigt, sich ähnlich wie die Visegrad-Staaten an der „Sicherung“ der Balkan-Route – also an ihrer Schließung – beteiligen zu wollen. Gleichzeitig spielt das Alpenland aber wieder den Gastgeber für ein Treffen der Merkel-Freunde am Donnerstag in Brüssel.

Bei der dritten Runde der „Koalition der Willigen“ soll es darum gehen, syrische Flüchtlinge direkt aus der Türkei in EU-Länder auszufliegen. Der französische Premierminister Manuel Valls hatte am Wochenende erklärt, sein Land sei dazu nicht bereit. Vom EU-Gipfel müsse im Gegenteil ein Stop-Signal ausgehen. Kurz danach kamen jedoch andere Signale aus dem Elysée.

Staatspräsident Francois Hollande werde erstmals an der Merkel-Runde teilnehmen, hieß es am Montag in Brüssel. Ob er mit einem konkreten Angebot kommt, ist unklar. Ohne Hilfe aus Frankreich droht dem Merkel-Plan das Scheitern. Er sieht eine spürbare Begrenzung der Flüchtlingsströme vor. Im Gegenzug soll die EU der Türkei ein festes Kontingent von Syrern abnehmen.

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2 Kommentare

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  • Wenn nun die Visegrad- Gruppe ihr Vorhaben umsetzt, wird dieses einen Dominoeffekt für ganz Südosteuropa nach sich ziehen. Insbesondere Griechenland wäre betroffen. Was passiert, wenn hunderttausend Menschen vor der mazedonischen Grenze stehen?

    Werden Visegrad- Grenztruppen für uns die schmutzige Arbeit erledigen?

    Wird die neue Route über Albanien -Adria-Italien führen?

    Werden riesige Zeltlager entlang der Balkanroute entstehen?

     

    Es wird dann nichts anderes übrigbleiben, als sich auf eine große Evakuierungsaktion aus den türkischen Flüchtlingslagern und den grichischen Hot-Spots vorzubereiten, also eine Luftbrücke mit Transportmaschinen aller EU-Staaten nach Deutschland. Noch ist Zeit, die Abläufe und den personellen Kräfteansatz vorzuplanen, aber das Zeitfenster ist eng.

    Von unserer Regierung erwarte ich daher u.a.:

    - eine realistische Analyse der eigenen Möglichkeiten zur Bewältigung der Flüchtlingsfrage(dazu gehört nicht der Verweis, die Flüchtlingsursachen zu bekämpfen, denn das können wir nicht)

    - den Bürgern unseres Landes in groben Zügen eine schonungslose Übersicht über die Kosten der Flüchtlingspolitik zu präsentieren

    - Erklären, wie die Kosten zu erbringen sind(Steuererhöhungen)

    - Neuorganisation bzw. Anpassen der Asylverfahren an die heutigen Gegebenheiten (Beschleunigung , Hot- Spots an deutschen Flughäfen etc.)

    - konsequente Abschiebung aller Nichtschutzbedürftigen innerhalb weniger Tage aus den Hot-Spots heraus

    So könnten wir es wirklich schaffen, vielleicht sogar im Alleingang.

    • @Hans-Georg Breuer:

      Ihren Beitrag kann ich in Gänze zustimmen. Ich würde ihn aber gerne noch ein wenig erweitern:

       

      Sie schreiben u.a.:

       

      „- den Bürgern unseres Landes in groben Zügen eine schonungslose Übersicht über die Kosten der Flüchtlingspolitik zu präsentieren

      - Erklären, wie die Kosten zu erbringen sind(Steuererhöhungen)“

       

      Exakt darin läge eine echte Chance für die Opposition, endlich mal ein glaubwürdiges und ehrliches Gegenkonzept zu dem von Merkel eingeschlagenen Weg aufzuzeigen. So könnte ein entsprechender Vorschlag in etwa lauten:

       

      Die in den nächsten Jahren für die Flüchtlingshilfe aufzubringenden Mittel sind zwar nicht exakt bezifferbar, werden jedoch mit dem bisherigen Steueraufkommen nicht zu bewältigen sein. Um den mehrfach in der Historie von den deutschen Regierungen provozierten Kniff zu verhindern, auch dieses Mal wieder hauptsächlich die Sozialsysteme zur Finanzierung zu missbrauchen, wird folgende Alternative ins Spiel gebracht: Eine deutliche Anhebung des Spitzensteuersatzes, u. U. ergänzt durch eine verfassungskonforme Vermögenssteuer. All das nach dem Motto: Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen und diese Maßnahmen sollten auch sozial gerecht sein.

       

      Dieser Vorschlag wäre mutig und würde sich bereits dadurch von dem Merkel-Kurs deutlich abheben. Die Kanzlerin versucht irgendwie ihr Gesicht zu wahren und zeigt nur noch deswegen eine gewisse Hartnäckigkeit. Ansonsten hat sie schon längst etliche Positionen geräumt, die sie noch vor einem halben Jahr als alternativlos deklarierte. Zudem besitzt sie offensichtlich keinerlei Konzepte zur Lösung der anstehenden Aufgaben und hat zudem Deutschland mit ihren unabgestimmten Alleingängen völlig isoliert.

       

      Es ist unverständlich, wie sich angesichts dieser Lage auch jetzt noch große Teile der Linken zu 95% hinter Merkel stellen. Es muss noch etwas anderes geben als die einfachen Lösungen der AfD und den Larifarikurs der Kanzlerin.