EU-Aktionsplan gegen Verschmutzung: Für eine giftfreie Umwelt
Die EU-Kommission hat einen Aktionsplan für saubere Luft, Gewässer und Böden beschlossen. Sie erntet dafür Kritik – und weckt Erwartungen.
Dazu soll die entsprechende Gesetzgebung nach Lücken durchforstet und Umsetzungsprobleme identifiziert werden. „Umweltverschmutzung schadet unserer Gesundheit“, sagte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius am Mittwoch in Brüssel, „insbesondere von besonders gefährdeten und sozial benachteiligten Gruppen, und ist außerdem eine der Hauptursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt“. Es gebe genug Daten über die Verschmutzung in Europa, so Sinkevičius, etwa die nationalen Berichterstattungen zum Zustand der Luft oder der Gewässer. Sie ließen sich nutzen, um die Ziele des Aktionsplans umzusetzen.
„Die Problem-Analyse der Kommission und ihre Schwerpunktsetzung sind ja gut“, sagt Anne Stauffer von der Verbraucher- und Umweltorganisation Heal in Brüssel, „die Umsetzung reicht aber nicht“. Die Luftverschmutzung sei der größte Risikofaktor für die Gesundheit, sie verursache 400.000 vorzeitige Todesfälle in Europa, 70.000 allein in Deutschland.
Das im Aktionsplan formulierte Ziel, bis 2030 die Gesundheitsauswirkungen durch Feinstaub und Co. bis 55 Prozent zu senken, sei viel zu niedrig. „Das erreichen wir schon, wenn wir die jetzigen Gesetze umsetzen“, sagt Stauffer. Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass es kein „sicheres Level“ für Verschmutzung gebe.
Daher werde die Weltgesundheitsorganisation WHO demnächst auch neue, voraussichtlich strengere Grenzwerte für Luftverschmutzung empfehlen. „Wir erwarten von der EU, dass sie diese Grenzwerte übernimmt“, sagt Stauffer. Bislang sehe der Null-Verschmutzungsplan nur eine „Angleichung“ vor.
Kritik von der Industrie
Naturgemäß hadert der Verband der chemischen Industrie nicht mit zu laxen Vorgaben, doch auch er ist unzufrieden mit dem Aktionsplan: Es fehle ein tragbarer Kompromiss zwischen mehr Umweltschutz und Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, urteilte der VCI. „Die Überlappung verschiedener Regelungsbereiche wird negative Auswirkungen zum Beispiel auf die Dauer von Genehmigungsverfahren sowie den rechtssicheren Betrieb von Anlagen haben“, sagt Gerd Romanowski, Geschäftsführer Technik und Umwelt im VCI, „geringe Planungssicherheit ist ein starkes Hemmnis für Investitionen.“
Bei Frank Glante, Leiter des Fachgebiets „Bodenzustand und Bodenmonitoring“ des Umweltbundesamtes (Uba) hingegen weckt der Aktionsplan hohe Erwartungen. Während die deutsche Bodenschutz-Gesetzgebung in Sachen „Gefahrenabwehr“ gut aufgestellt sei – Verschmutzungen durch Unfälle oder durch Altlasten also wirksam beseitige – mangele es an der Vorsorge. „Hier ist die deutsche Gesetzgebung schwach und muss verbessert werden“, so Glante. Der Aktionsplan könne einen Schub bringen. „Wir brauchen Gesetze, um Erosion, Versiegelung und Verdichtung von fruchtbaren Böden zu vermindern“, sagt der Bodenexperte.
Dazu kämen neue Themen, die im deutschen Bodenschutzgesetz noch gar nicht umfassend geregelt seien, zuallererst der Verlust der biologischen Vielfalt in Böden und der Klimawandel. Neue Analysemethoden ermöglichen es zudem, Schadstoffe zu entdecken, die bisher durchs Raster fielen, etwa per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS), die erbgutschädigend und krebserregend seien.
Nach der Verschmutzung der Meere durch Mikroplastik gerate zunehmend das Thema Mikroplastik in Böden in den Fokus. „Wir wissen noch viel zu wenig: Nehmen die für die Bodengesundheit wichtigen Mikroorganismen es auf, hat es negative Wirkungen, oder meiden sie verschmutze Böden?“, so Glante. Hier gilt es, das Boden-Monitoring weiter auszubauen.
Handlungsbedarf in Sachen Umweltverschmutzung sieht auch der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold, neben dem Klimawandel und dem Verlust der Biodiversität sei sie die dritte große Umweltkrise. Was die Kommission aber mit ihrem Aktionsplan vorgelegt habe, sei nicht mehr als „Ringelpiez mit Anfassen“, so Giegold. Er sieht weniger einen Bedarf an neuen Richtlinien und Strategien, sondern vielmehr an einem effektiveren Vollzug der bestehenden.
„Wir haben in der EU ja schon gute Gesetzgebungen für die Reinhaltung der Luft und den Schutz von Gewässern“, sagt Giegold, „aber der EU-Kommission mangelt es an Ressourcen und politischem Willen, sie umzusetzen“. Als Hüterin der EU-Verträge liege es allein bei ihr, Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedsländer anzustrengen, die sich nicht an die Regeln hielten, „doch das passiert viel zu selten“.
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