EU-Abkommen mit Mercosur-Staaten: Handelsvertrag gegen das Klima

Nach der Wahl in Brasilien wollen die EU und Mercosur das auf Eis gelegte Freihandelsabkommen angehen. Nur: Wie passt das zu den Öko-Versprechen?

Jubelnde Lula-Anhänger*innen nach seiner Wiederwahl zum brasilianischen Präsidenten

Jubelnde Lula-Fans: Brasiliens künftiger Präsident will den Handelsvertrag mit der EU neu aufrollen Foto: Pablo Porcuincula/afp

BERLIN taz | Kaum ist Luiz Inácio Lula da Silva gewählt, steht die EU-Kommission schon in den Startlöchern, um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur neu anzugehen. „Wir freuen uns darauf, mit den brasilianischen Behörden sowie mit den anderen Mercosur-Ländern zusammenzuarbeiten, um den laufenden Prozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen“, sagte eine Kommissionssprecherin der taz.

Nach der Wahlniederlage von Jair Bolsonaro, dem rechtsextremen bisherigen Präsidenten Brasiliens, könnte es schnell gehen mit einem Abkommen, das im Falle eines Vetragabschlusses die größte Freihandelszone der Welt bilden könnte. Die EU werden sich dem Abkommen schon im nächsten Jahr annehmen, glaubt die EU-Abgeordnete Manuela Ripa (ÖDP). „Denn im Jahr 2024 finden Europawahlen statt, und vielen Akteuren wird viel daran gelegen sein, das Abkommen vorher unter Dach und Fach zu bringen, um Verzögerungen zu vermeiden.“

Abkommen nicht mit „Green Deal“ vereinbar

Über zwei Jahrzehnte hatten die Mercosur-Saaten, zu denen Argentinien, Uruguay, Paraguay und Brasilien gehören, und die EU das Handelsabkommen verhandelt. Bis zuletzt blockierten Länder wie Deutschland das Abkommen. Zuvor sei die EU zögerlich gewesen, ein Abkommen mit einer Regierung zu schließen, die so eklatante Menschenrechte und Umweltschutz missachtet wie die unter Bolsonaro, erklärt Lutz Weischer von Germanwatch.

„Grundsätzlich steigt mit Lulas Wahlsieg die Wahrscheinlichkeit, dass es ein Abkommen geben wird.“ Was nicht unbedingt eine gute Nachricht sei. Das Abkommen ziele darauf, dass mehr Autos aus Europa in die Mercosur-Staaten exportiert werden und mehr Soja und Rindfleisch in die EU. Sprich: eine Nachfragesteigerung von zwei Produkten, die mit an der Klimakrise beteiligt sind, kritisiert Weischer. Einige Umweltschutzorganisationen gehen sogar weiter: Das Abkommen sei mit dem „Green Deal“, den europäischen Plänen zum Klimaschutz, nicht vereinbar.

Weil es die Klima- und Nachhaltigkeitsambitionen der EU untergrabe, hat Manuela Ripa von der Fraktion der Grünen/EFA gegen das Abkommen gestimmt. Schon jetzt importiere die EU ein Viertel der Agrarprodukte aus Südamerika und befördere eine Landwirtschaft, die eigentlich eine wichtige Stellschraube sein müsste, um CO₂-Emissionen zu verringern, sagte Ripa der taz.

„Ganz abgesehen von den verheerenden Folgen für den Klimawandel, würde das Mercosur-Abkommen den Einsatz von Pestiziden und Umweltgiften fördern“ – entgegen dem, was die EU mit dem Green Deal eigentlich möchte. Schon 2019 hat die EU-Kommission zusätzliche Umweltmaßnahmen verhandelt. Nicht genug, so Ripa: „Eine vollständige Neuverhandlung des EU-Mercosur-Textes ist erforderlich, wenn es den Entscheidungsträgern mit dem nachhaltigen Handel ernst ist.“

Lula will abkommen neu aufrollen

Währenddessen rät der Veband der deutschen Wirtschaft, das EU-Mercosur-Abkommen schnell zu ratifizieren: Auch andere große Wettbewerbsnationen wie China seien in der Region aktiv, warnt Klemens Kober vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). „Sie haben ein starkes Interesse daran, vorhandene Lücken zu nutzen, wirtschaftliche Vorteile abzuschöpfen und Regeln nach eigenen Vorstellungen zu setzen.“

Nach seinem Wahlsieg machte Lula deutlich, dass er den unterschriftsreifen Vertrag nicht einfach absegnen werde: Er kündigte an, das Abkommen neu mit der EU verhandeln zu wollen. Das Abkommen noch einmal aufzurollen sei eine Chance, sagt auch Weischer von Germanwatch. Organisationen erhoffen sich in einem überarbeiteten Abkommen durchsetzbare und sanktionierbare Klauseln zum Pariser Abkommen, Biodiversitätsabkommen und Menschenrechtsabkommen – hoffentlich nicht nur ein „angeklebtes grünes Kapitel“.

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