„This is the end, my only friend, the end“: In der Rue Beautreillis in Paris treffen zwei tragische Fälle aufeinander.
„Vorsicht vor Taschendieben“: Michel Platini
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An der Ecke Rue Neuve Saint-Pierre, in der Nähe der Bastille, hängt an einer grauen Häuserwand ein kritisches Trump-Plakat, das auch nur seinen Ruhm mehrt. Davor steht in der letzten Juniwoche ein Zerzauselter und erzählt vier Asiaten, wer er ist oder sein will. Aber die Asiaten haben kein Ohr frei. Sie starren auf ihre rosa Rollkoffer und warten, dass es für sie weitergeht.
Die andere Straße an dieser Kreuzung heißt Rue Beautreillis. In Nummer 17–19 war Jim Morrison eingemietet. Jimi und Janis hin, Brian und Kurt her: Von allen jungen Toten des Rock ‚n‘ Roll ist er der Mythischste.
Der Sänger der Doors war aus Amerika nach Paris geflohen. Erstens, weil alles so schlimm war (Nixon, Vater, Mutter). Zweitens, weil er verknackt worden war für das Herzeigen seines Schwanzes während eines Konzerts.
Aber wie die einen der Provinz entfliehen wollen und sie doch nur in die Metropole einschleppen, so brachte er sein Gefängnis mit nach Paris. Es war die Entfremdung der Pubertät, die alle guten Beziehungen zur Welt abschneidet und einen Teenager gegen böse Eltern, Lehrer und Politiker auf sich selbst zurückwirft.
EMtaz: Die glorreichen 16
Diese Spieler und Trainer können die EM entscheiden: Die Uefa wählte den 18-jährigen Renato Sanches nach Portugals Sieg im Achtelfinale gegen Kroatien zum „Man of the Match“. Hier überspringt der Teenager den Champions-League-Sieger Luka Modric am Mittelkreis. Später leitete er das Konter-Siegtor in der 117. Minute ein. Nicht im Bild: Sanches' glorreiche Zukunft.
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Hat Spaß, wenn alle anderen sich zu Tode langweilen: Portugals Trainer Fernando Santos. Sein destruktives Spielkonzept war für den Sieg der Portugiesen verantwortlich, denn das kroatische Mittelfeld (Modric, Rakitic, Perisic) muss man erstmal zerstören. Wir würden unseren Hut lupfen, wenn wir nicht mit Gähnen beschäftigt wären.
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Eigentlich war Lukasz Fabianski nur als Nummer 2 hinter Wojciech Szczesny eingeplant, doch dann verletzte sich dieser und Fabianski durfte ran. Ergebnis: Nur ein Gegentor in drei Spielen und eine großartige Leistung im Achtelfinale gegen die Schweiz. Und jetzt kommt Ronaldo. Wer ist Ronaldo?
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Hinter den Offensivkräften Lewandowski und Milik gerät Grzegorz Krychowiak immer etwas in Vergessenheit. Dabei ist der Mann vom FC Sevilla der Taktgeber im Mittelfeld der Polen. Zweikampfstark, laufstark und mit Übersicht – ohne ihn läuft quasi nix. Das hat auch Paris St. Germain erkannt und soll bereit sein, 45 Millionen Euro für ihn hinzublättern.
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Was soll man zu Gareth Bale noch sagen? Er ist Wales und Wales ist Bale. Deswegen sprechen manche auch nur noch von „Bales“. Drei Tore und eine Vorlage in vier Spielen stehen für sich. Das Weiterkommen der Waliser ist maßgeblich von seiner Form abhängig. Doch nicht nur davon, ...
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... sondern auch von ihm. Wales' Trainer Chris Coleman sorgt dafür, dass seine Mannschaft keine One-Man-Show ist. Er versteht es, seinen Superstar in die Mannschaft einzufügen und sorgt so dafür, dass alle ihre Stärken einbringen können.
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Sein großer Auftritt kam im Achtelfinale beim 4:0 gegen Ungarn: Eden Hazard war omnipräsent, bereitete ein Tor vor und schoss eins selbst. In dieser Form kann der Mittelfeldspieler, der bereits 70 Länderspiele hinter sich hat, zu einem der Besten des Turniers werden. Wenn es bei ihm mal nicht läuft, ist da auch noch ...
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... Kevin De Bruyne (hier bei der rhythmischen Sportgymnastik). Auch er machte gegen Ungarn sein bislang bestes Spiel bei dieser EM. Noch sind seine dynamischen Antritte aus der Bundesligasaison 2014/15 samt Vorlagen und Toren, die seinen damaligen Arbeitgeber VfL Wolfsburg auf Platz 2 brachten, zu selten zu sehen.
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Neben den Italienern Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci ist Jerome Boateng der wohl beste Innenverteidiger des Turniers. Er zeigt dabei nicht nur defensive Qualitäten: hervorragende Spieleröffnung, zuletzt auch torgefährlich, Weltmeister, guter Nachbar sowieso.
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Joachim Löw nahm ihn nur mit, um in speziellen Situationen einen großen und wuchtigen Strafraumstürmer zur Hand zu haben. Und dann das: Tor gegen Nordirland, Tor gegen die Slowakei. Mario Gomez zeigt, dass er wieder in Form ist. Bindet immer ein bis zwei Gegner, ist unberechenbar, hilft plötzlich auch im Mittelfeld aus.
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Giorgio Chiellini, italienischer Innenverteidiger. Reaktionsschnell und hart, aber fair. Vize-Europameister, italienischer Dauermeister mit Juventus Turin, studierter Betriebswirt, spricht mehrere Sprachen. Neu: Er trifft nun auch ins Tor des Gegners (wie hier beim 1:0 gegen Spanien).
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Italiens wichtigster Akteur steht in der Coachingzone. Beziehungsweise dort hüpft er auf und ab, gestikuliert und brüllt, furios war seine Freude nach dem Sieg gegen Spanien im Achtelfinale. Die Ausfälle zahlreicher Mittelfeldspieler vor der EM sieht man dem italienischen Spiel dank seiner Leistung nicht an. Nach der EM wird er Trainer des FC Chelsea.
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Stellvertretend für das isländische Kollektiv muss das fleischgewordene Wikinger-Klischee Birkir Bjarnason herhalten. Hier lässt sich der langhaarige Flügelspieler vom Kollegen Arnor Ingvi Traustason nach seinem Siegtor gegen Österreich tragen. Brandschatzt ansonsten über die linke Seite und trinkt Met aus den Totenschädeln seiner Feinde.
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Ragnar Sigurdsson grätschte sich ins kollektive englische Fußballgedächtnis, als er in den Schlussminuten den Ball nebst Jamie Vardy abräumte. Zwischendrin machte der isländische Verteidiger diesen Fallrückzieher im englischen Strafraum. Man beachte die Zuversicht in den englischen Mienen.
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Wer braucht Benzema, wenn er einen Stürmer wie Antoine Griezmann hat? Mit seinem Doppelpack gegen Irland avancierte er im Achtelfinale zum Matchwinner. Es waren seine EM-Tore zwei und drei. Dabei zeigte der nur 1,75 m große Angreifer, dass er sich auch gegen körperlich überlegene Gegner im Kopfball durchsetzen kann.
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Vor der EM hatte wohl kaum einer Dimitri Payet auf der Rechnung. Doch der Mittelfeldspieler von West Ham sorgte gleich im ersten Spiel mit seinem Last-Minute-Hammer gegen Rumänien für Aufsehen. Seitdem trumpft er groß auf. Sein guter Fernschuss und sein kräftiger Antritt machen ihn so stark.
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Morrison hatte diese Phase auch mit 27 nicht überwunden und versuchte sein Leiden mithilfe von Drogen in Dichtkunst zu transformieren. „This is the end, my only friend, the end“, hatte er bereits auf dem Debütalbum der Doors gesungen. Vor fast genau 45 Jahren, am 3. Juli 1971, war es in der Rue Beautreillis tatsächlich zu Ende für ihn.
Um die Ecke hängt noch ein zweites Plakat. Es hat die Aufschrift „Vorsicht vor Taschendieben“ und zeigt ein Steckbriefbild von Michel Platini, der wegen Korruption gesperrte Ex-Uefa-Präsident und größte Fußballer, den Frankreich bisher hatte. Der ist ein wirklich tragischer Fall.
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Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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