piwik no script img

EMtaz: Ein Loblied auf den TreterDanke, Pepe!

David Joram
Kommentar von David Joram

Der Portugiese Pepe kann gleichzeitig schwalben und treten. Nach einer Beinschere wurde er wüst beschimpft. Dabei müsste man ihm danken.

Artistisch einwandfreie Beinschere: An Pepe ist ein Wrestler verlorengegangen Foto: reuters

S chon wieder dieser Pepe, darf ja wohl nicht wahr sein! 1:1 steht es zwischen Portugal und Island in Saint-Étienne, die 68. Minute läuft gerade – da tritt dieser richtig fiese Verteidiger auf den Plan. Vom braven isländischen Stürmer Jon Bödvarsson bei einem Zweikampf leicht touchiert, knickt Pepe, dieses fast 1,90 Meter große Muskelpaket, so erbärmlich ein wie eine angesägte Pappel bei Windstärke 10.

Beim Sinkflug fährt der Profi von Real Madrid auch noch die Beine aus und erwischt dabei Bödvarsson. Nicht so, wie er’s eigentlich möchte, aber doch so, dass es ein ganzes Stadion mitbekommt. Fast jedenfalls. Schiedsrichter Cüneyt Cakir übergeht die versuchte Tätlichkeit. Er weist die aufgebrachten Isländer zurück. Pepes theatralische Einlage belohnt er mit einem Freistoß. Pfui!

Pepe, dieser tausendfache Wiederholungstäter, der ja auch nicht anders ausschaut als ein russischer Hooligan, müsste allein für diese Aktion von allen Fußballfeldern dieser Erde verbannt werden. Am besten lebenslänglich!

Oder?

Der Fußball braucht seine Helden, Glitzerboys wie Cristiano Ronaldo, vorbildliche Nachbarn wie Jérôme Boateng oder alte, charismatische Granden wie Gábor Király und Gianluigi Buffon. Doch wo Helden emporsteigen, müssen auch Schurken handwerkeln – so geht nun mal jedes ordentliche Drehbuch.

Pepe, bitte bleib so, wie du bist

Die feinen Künstler wie Pelé, Cruyff, Puskas und wie sie alle hießen, wären viel weniger wert, wenn die Provokateure, Rotzer und Blutgrätschenden dieser Fußballwelt nicht ständig versucht hätten, ihnen das Fußballspielen mit allen legalen und illegalen Mitteln zu verderben.

Erst Antipoden wie Materazzi, Rijkaard und eben Pepe vervollständigen das Spiel. Weil sie die Regeln brechen. Das ist oft hässlich, plump, hinterlistig. Zugleich fasziniert es, mit welcher Selbstverständlichkeit einer wie Pepe immer und immer wieder die Arschloch-Rolle einnimmt.

Einzig Maradona hat es geschafft, beides zu verkörpern, den wohlschaffenden Künstler und den hinterlistigen Mistkerl. Geschadet hat es ihm nicht, im Gegenteil. Sein freches Handtor im WM-Viertelfinale 1986 gegen die Engländer würde heute wohl ein Dutzend Ethikkommissare beschäftigen. Der klinische Fairplay- und Fairnessbetrieb Uefa (ähhhh…) schaut aus 534 Kameraeinstellungen genau hin. In Super-super-super-Slowmotion, versteht sich. Damals? Richtig, Lobpreisung auf die Hand Gottes.

So weit wird es Pepe nie bringen. Kann er nicht, muss er nicht, soll er aber auch nicht. Es reicht, wenn er grobschlächtig über den Platz trampelt, die Ellenbogen ausfährt und gleichzeitig die Heulsuse mimt. Also so bleibt, wie ihn alle lieben: als letzten Schurken, der es verdient, aus tiefster Fußballseele heraus gehasst zu werden. Danke, Pepe!

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

David Joram
Volontär
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Man könnte meinen wir sind beim Wrestling, wo es den Kampf Gut gegen Böse dann inszeniert gibt.

  • Von Fußball scheinen Sie nicht viel zu verstehen. Pepe ist seit mehr als 10 Jahren ein Weltklasse-Verteidiger. Ob er mehr Fouls begeht als Höttges, Schwarzenbeck, Vogts, Illgner, Vermaelen, Mbia, Kouemaha u.v.m. bezweifele ich. Seine gelben und roten Karten bewegen sich auch in normalen Grenzen. Und eine Europameisterschaft ist kein Ponyhof. An Pepe wird so mancher Stürmer verzweifeln.

  • Sehr schöner Artikel, endlich eine Panegyrik der Knochentreter und Arbeitstiere. Die gelackten Schönwetterfußballer kriegen sowieso schon genug Aufmerksamkeit. Da ich selbst auf eine Karriere als Rumpelfußballer zurückblicke, habe ich Tränen gelacht und so etwas wie eine nachträgliche Genugtuung verspürt. Wo waren Sie Herr Joram, als ich immer wieder vom Platz gestellt wurde?