Wo andere noch granteln, grinst er schon. Thomas Müller ist in diesen Tagen überall. Es müllert wie verrückt. Seine Seite heißt, na logisch: esmuellertwieder.de. Über neun Millionen folgen ihm in den sozialen Medien. Thomas Müller macht Werbung für Nudeln. Thomas Müller macht Werbung für die Commerzbank, für Volkswagen. Er macht Werbung für Gillette und den Weber-Grill. Thomas Müller macht auch Werbung für Rewe und Adidas.
Thomas Müller, Trikotnummer 13, ist auf dem Cover von GQ. Thomas Müller tritt Antonio Rüdiger im DFB-Camp kaputt, Letzteres natürlich unabsichtlich. Thomas Müller geht immer. Er ist der, auf den sich alle einigen können. Werbemenschen schätzen ihn als idealen „Markenbotschafter“.
Thomas Müller ist die deutsche Fußball-Werbeikone. Er hat erst Franz Beckenbauer und dann Jürgen Klopp hinter sich gelassen. Auch der von allen gemochte Mehmet Scholl, der unter anderem für Autos wirbt, kommt nicht heran an Müller, der einmal von Scholl als die „wilde 13“ bezeichnet wurde, was nur die halbe Wahrheit ist.
Müller als Nachbar? Aber ja doch. Das ginge sogar in der Sächsischen Schweiz. Thomas Müller erscheint als ein Profi, der zwar in einer manchmal bizarren Show- und Leistungswelt lebt, aber die Überdrehtheit und Weltferne des Fußballbetriebs nicht verinnerlicht hat. Vermeintlich.
Stattdessen wird Müller mit durchweg löblichen Attributen vermessen: locker, selbstironisch, schelmisch, authentisch und erdverbunden. A echta Bayernbua! Nun ja. Thomas Müller ist seit Jahren brav verheiratet – ein Spießer mit dem gewissen Etwas. Skandale kennt man nicht. Er zieht sich, wie der modisch sehr veranlagte Jérôme Boateng findet, „unbekümmert“ an, und so spiele er auch. Macht sich keinen Kopf, sondern macht einfach.
Thomas Müllers Geheimnis ist vermutlich, dass er in diesem Fußballzirkus aufgeht. Er hat ihn als sein Ding akzeptiert. Da ist auf den ersten Blick kein Fitzelchen Zögern oder Zaudern, kein Unwohlsein wegen der Dauerbeobachtung und der Daueranalyse, wegen des Leistungsdrucks und des Lebens als öffentliche Person. Trotzdem schafft es dieser Thomas Müller, eine Distanz zum Fußball herzustellen, durch seine Art. Hier mal ein Witzchen, dort ein lässiger Spruch.
Mit einer Müller’schen Umarmung löst er die Spannung beim Teamkameraden – und letztlich auch beim Fan. Hey, nimm das alles nicht so wichtig, ist doch nur Fußball! Diese Brechung ist es wohl, die man an Müller mag. Immer wieder Müllers Mantra: Ist doch nur Fußball. Ist doch nur Fußball. Dabei wissen wir doch alle: Fußball ist total wichtig, total politisch, total vermarktet und kommerzialisiert, total irre.
Aber Thomas Müller sieht man das nicht an. Deswegen müllert es allerorten. Müllermüllermüller. Puh.
Jogis Jungs für Frankreich
Trainer Joachim Löw, 56 Jahre - Samma mal so: Der Bundes-Jogi will im zehnten Jahr seiner Amtszeit „scho au noch Europameister werden.“ 23 Kicker hat er dafür in den deutschen Kader berufen.
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Manuel Neuer, 30 - Der Ballfänger kann alles: Bälle abwerfen, die zu Todespässen mutieren; den Libero im Beckenbauer-Format geben; im eigenen Strafraum siegreich ins Dribbling gehen. Nebenbei wehrt Neuer alles ab, was auf seinen Kasten geflogen kommt – selbst „Wembley“-Tore. Und sonst? „Koan Neuer!“ (Südkurve München)
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Jérôme Boateng, 27 - Hat als Brillendesigner sowieso den Überblick. Im Zweikampf kaum zu schlagen, andererseits ein netter Nachbar mit schüchterner Stimme, der die Beatbox perfekt beherrscht. Und sonst? „Boateng sauber. Ganz lässige Attitüde. Sonnenbrille auf, ab ins Cabrio und das Ding lässig nach Hause fahren.“ (TV-Kommentator Wolf Christoph Fuss)
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Mats Hummels, 27 - Elegant wie der Kaiser und rhetorisch so begabt, dass er Philipp Lahm als ersten Field-Reporter-Beglücker problemlos ablösen wird. Bildet mit Boateng die weltweit beste Innenverteidigung – zumindest bis der feinsinnige Mats wegen Krämpfen vorzeitig raus muss. Und sonst? „Lieber ein BVB-Titel als sechs mit einem anderen Club.“ (Mats Hummels)
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Jonathan Tah, 20 - Toni Rüdiger verletzt, Hummels eh nie so richtig fit. Schon erschrickt die Nation und fürchtet Abwehrsorgen. Die taz findet: Pah, es gibt doch Tah! Darum nehmen wir den Weltmeistertrainer wörtlich – und beordern Tah aus dem Urlaub direkt in die Startelf. Und sonst? "Ich wollte bewusst eine Situation schaffen, Toni Eins-zu-Eins ersetzen." (Jogi Löw)
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Benedikt Höwedes, 28 - Der Schalker Kapitän behielt seinen kämpferischen Spielstil trotz Haartransplantation bei. Die entstehenden Löcher, die der Vollnaturhaarbursche Hummels bei seinen Ausflügen hinterlässt, wird Höwedes grätschend stopfen. Und sonst? „Eigentlich bin ich selten richtig glatt rasiert.“ (Benedikt Höwedes)
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Toni Kroos, 26 - Während sich Bruder Felix bei Union Berlin durchgesetzt hat, musste der arme Toni ins krisenhafte Spanien flüchten. Bei Bayern gab's nicht genügend Kleingeld. Erreicht auf dem Spielfeld eine Passquote, die höchstens Manuel Neuer überbietet. Und sonst? „Er geht jetzt auch jeden Morgen zum Frühstück – unaufgefordert.“ (Ex-DFB-Co-Trainer Hansi Flick)
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Sami Khedira, 29 - Im Konzert der Hochbegabten spielt er die Pauke. Wurde trotzdem Weltmeister und holte schon die nationale Meisterschaft in drei verschiedenen Ländern. In Spanien mit Real Madrid (2012), in Italien mit Juventus Turin (2016) und in Deutschland mit dem VfB Stuttgart (2007)! Und sonst? „Ich will kein zweiter Sami Khedira werden.“ (Bruder Rani Khedira)
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Thomas Müller, 26 - Der missglückte Freistoß-Stolpertrick aus dem WM-Achtelfinale 2014 und Effenbergs harsche Kritik nagen noch immer an Müller. Die beim DFB installierte taz-Trainingskamera nahm ihn nur kriechend, rollend und hüpfend auf. Und sonst? „Die Ausführung war mangelhaft. Damit gehste bei Let's Dance nicht in die zweite Runde.“ (Stefan Effenberg)
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Mesut Özil, 27 - Die Arsenal-Fans singen über Özil: „He’s better than Zidane“. Und Mourinho sagte einst: „Der beste Zehner der Welt.“ Allah sei Dank gehört der Islam auch zu Deutschland – oder glaubt irgendjemand, dass die AfD einen so genialen Spielmacher montags in Dresden finden würde? Und sonst? „Mourinho widerspricht man lieber nicht.“ (Mesut Özil)
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Mario Götze, 24 - Dortmunds Fans wollen ihn nicht, Bayerns Verantwortliche auch nicht. Für ein Joker-Tor im Endspiel reicht’s aber noch. Die Vorlage wird Kumpel Marco Reus übrigens wieder nicht liefern können. Wäre ja zu schön. Und sonst: "Happy Birthday Marco! Can't wait for our next tournament together." (Mario Götzes Twitterdienst)
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Mario Gomez, 30 - Das Spiel 2008 gegen die Ösis, in dem Gomez aus zwei Metern das Tor nicht traf, ist vergeben und vergessen. Bild titelt nach dem ersten Spiel gegen die Ukraine: „Der TORero zeigt Putin, wie man die Ukraine richtig zerlegt“. Und sonst? „Du hast die Haare schön!“ (80 Millionen Fußballfans)
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Marc-André ter Stegen, 24 - Hat beim FC Barcelona gezeigt, dass er eine gute Nummer 2 ist.Bernd Leno, 24 - Hat in Leverkusen nur gezeigt, dass er eine gute Nummer 1 ist.Jonas Hector, 26 - Kölle Alaaf. Der Rheinländer ist Poldis Stimmungs-Assistent!
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Shrokdan Mustafi, 26 - Hat man zuletzt bei der WM rumstolpern sehen. Wer schaut schon Spiele des FC Valencia?Emre Can, 22 - Musste bei Klopps Liverpool so viel laufen, dass er erst im Finale wieder einsatzfähig sein dürfte.Joshua Kimmich, 21 - Der Münchner ist kein Kandidat fürs Elfmeterschießen!
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Julian Weigl, 20 - Gewann mit dem BVB keine Titel, zählt aber trotzdem zu den Saisongewinnern. Paradox.Bastian Schweinsteiger, 31 - Zwei Fragen: Kam der Kapitän seit der WM eigentlich mal zum Einsatz? Und: Wann ist er denn nun fit?Julian Draxler, 22 - So viel weiß jetzt auch Wolfsburgs Manager Klaus Allofs: Draxler ist kein de Bruyne!
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Lukas Podolski, 31 - "Ich bin nicht als Maskottchen hier" (Poldi über Poldis EM-Rolle). Dann nennen wir ihn halt Bankwärmer.André Schürrle, 25 - Schürrle flankt auf Götze, der Rest ist bekannt. Hätte die Nominierung sonst nicht verdient.Leroy Sané, 19 - Der zweite Schalker nach Stan Libuda, der an Gott vorbeikommt.
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