EMtaz: Bartels liebt Schiri Felix Brych: Deutsch und neutral
Trotz einer Fehlentscheidung lobte Kommentator Bartels ausdauernd den Schiedsrichter Felix Brych. Weil er deutsch ist. Was soll das?
T om Bartels benahm sich wie eine Omma, die beim Kaffeekränzchen über ihren Lieblingsschwiegersohn spricht. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit lobte der ARD-Kommentator den deutschen Schiedsrichter Felix Brych überschwänglich. Sinngemäß: „Ein toller deutscher Schiedsrichter. Das hellblau steht ihm ganz fantastisch. Und er hat so eine gute Körperhaltung. Und außerdem ganz vorbildliche Manieren.“
Wenn Fans beim Fußballschauen eine Vereinsbrille tragen, hatte Bartels beim Achtelfinale zwischen Portugal und Polen die deutsche-Schiri-Brille auf. Was soll das? Können wir bitte über Fußball reden? Ist es jetzt auf einmal relevant, wie die Pferdepfleger des Linienrichters heißen oder mit wie viel Dezibel ein stinknormaler Schiedsrichter bei einem EM-Turnier in eine Trillerpfeife bläst?
Ach so, richtig: Es handelt sich ja gar nicht um einen normalen Schiedsrichter. Bartels sprach ja über Dr. Felix Brych. Der ist nämlich „Deutschlands Spitzenschiedsrichter“, wie selbst die dpa in einer Meldung aus Marseille schreibt. Die Presseagentur geht in dem Bericht der spannenden Frage nach, ob Brych im Finale pfeifen darf oder nicht. Das hinge von der Bewertung des Gremiums der Uefa „mit ihrem strengen Chef Pierluigi Collina“ ab.
Am Ende bleibt die spannende Frage: Darf der deutsche Elite-Schiri im Finale pfeifen? Aufregend. Leute, denen diese Meldung gefiel, kauften auch: Xavier Naidoo – Maxi-CD „Dieser Weg wird sicher kein leichter sein“, Urs Meyer – Autobiografie „Mein Leben auf Ballhöhe“, Tom Bartels – 8-Audio-CD-Box „Meine schönsten Kommentare“.
„Ich habe schon als Kind in Brych-Bettwäsche geschlafen.“
Eine alte Fußball-Binsenweisheit besagt, dass der Schiedsrichter genau dann gut war, wenn überhaupt niemand über ihn spricht. Demnach müsste Brych eigentlich eher schlecht gewesen sein. Denn der Über-Unparteiische leitete laut dpa-Meldung „die Partie erneut souverän, gelassen und ohne unnötige Gestik oder Theatralik.“ Und weiter: „In einem insgesamt spielerisch enttäuschenden Viertelfinale konnte oder musste sich Brych ansonsten kaum auszeichnen.“ Aha. ARD-Kommentator Tom Bartels machte den Schiedsrichter trotzdem zu einem Protagonisten der Begegnung.
Jede mögliche Entscheidung nutzte der ARD-Kommentator, um den Schiedsrichter aus deutscher Sicht zu loben. Toll, eine richtige Einwurfentscheidung. Großartig, eine gelbe Karte für Adrien Silva. Genau richtig, hier Krzysztof Maczynski nochmal zu ermahnen. Und huch, ach ja, eine Fehlentscheidung: Ja, das war vielleicht ein eindeutiger Elfmeter in der 30. Minute, als der polnische Abwehrspieler Michal Pazdan den Überfußballer Cristiano Ronaldo umwemst. Aber der Brych hat ja keine Zeitlupe. Ging ja auch alles sehr schnell. Nun ja.
Zurecht kalauerte Twitter: „In Bartels Panini-Album sind nur Brych-Bilder.“ „Der arme Flitzer wollte doch nur ein Selfie mit Felix Brych.“ „Ich habe schon als Kind in Brych-Bettwäsche geschlafen.“ „Haben Sie den Schlusspfiff gehört? So akzentuiert, so energisch, eine Sinfonie in F-Dur!“ Another brych in the wall, es brycht nur so heraus, hihi, schon klar.
„Unsere Qualität – Neutralität“
Okay, das Achtelfinale zwischen Portugal und Polen war ein undankbares Spiel für Kommentatoren. Nach dem 1:1-Ausgleich in der 30. Minute war das Geschehen auf dem Platz in etwa so bunt wie Bilder von Mark Rothko. Portugal wollte nicht, Polen konnte nicht.
Doch Bartels und Kollegen lobhudeln deutsche Schiedsrichter auch in anderen Spielen, gefühlt noch bevor sie den Platz betreten haben. Als sei das eine Auszeichnung: gleichzeitig deutsch und neutral.
Komisch wird dieser Konstruktionszwang deutscher Großleistungen, wenn nach einem traditionellen Patzer des englischen Torhüters Joe Hart der Kommentator sinngemäß anmerkt, dass Manuel Neuer den Ball mit seiner Mütze gefangen hätte. Oder wenn der öffentlich rechtliche Kommentar erwähnt, dass man an der Partie zwischen England und Island sehen könne, wie gut die deutsche Mannschaft sei. In dieser Logik ist natürlich auch jeder Zweikampf, an dem Robert Lewandowski oder Jakub Blaszczykowski beteiligt sind, ein packendes Bundesliga-Duell.
Aber vielleicht ist Tom Bartels auch bloß das jüngste Mitglied der „Brigade Hartmut Strampe“. Dann wäre es zumindest konsequent, wenn er demnächst bei Übertragungen „unsere Qualität – Neutralität“ skandieren würde. Oder, Hartmut-Strampe Pro-Tipp für Fortgeschrittene: unparteiisch bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP