E-Zigaretten-Fachmann der Behörde BfR: Tabaklobby „kauft“ Experten
Der früher wichtigste Experte des Bundesinstituts für Risikobewertung geht zur Tabakindustrie. „Skandal“, sagen Nichtraucher-Aktivisten.
Für die Nichtraucherorganisation Forum Rauchfrei ist das ein „handfester Skandal“: „So ein Experte darf nicht zur Tabakindustrie wechseln, auch nicht nach einer Wartezeit“, forderte der Sprecher der Initiative, Johannes Spatz. „Er stellt mit seinem Wissen und seinen Kontakten eine nicht zu unterschätzende Gefahr für das BfR dar.“ Schließlich kenne der Wissenschaftler Interna der Behörde, die er an die Industrie verraten könne. „Henkler-Stephani muss wissen, dass er in Zukunft die Marionette eines Verbandes sein wird, dessen Mitglieder mitverantwortlich sind für 127.000 jährliche Todesfälle alleine in Deutschland“, so Spatz.
Der Wissenschaftler selbst sieht seine neue Aufgabe dem Industrieverband zufolge aber „nicht als Seitenwechsel, sondern vielmehr als Chance, das gesundheitspolitische Potenzial von E-Zigaretten“ zu bewerben. Der Chemiker wolle „zu einer Versachlichung politischer Entscheidungen beitragen“. Soll wohl heißen: Henkler-Stephani wird dazu beitragen, elektrische Zigaretten als möglichst ungefährlich darzustellen, damit sie zum Beispiel nicht so stark besteuert werden.
Die Industrie preist E-Zigaretten zwar als „eine (potenziell risikoärmere) Alternative“ des Nikotinkonsums zum Rauchen an. Da in den Geräten nichts verbrannt, sondern eine nikotinhaltige Flüssigkeit verdampft wird, würden nicht so viele schädliche Stoffe frei. Doch laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung lässt sich mangels Studien noch nicht abschätzen, wie schädlich der Konsum von E-Zigaretten ist, die eben auch gesundheitsgefährdende Substanzen enthalten. Da beim Ziehen an E-Zigaretten ein ähnliches Verhalten ausgeübt wird, könnten sie den Einstieg ins Tabakrauchen fördern.
Industrieverband: „Ausreichende Karenzzeit“
Gefährden Seitenwechsel die Unabhängigkeit von BfR-Mitarbeitern? Die Behörde ging in ihrer Antwort für die taz darauf nicht ein, sondern beharrte einfach darauf, dass ihr Personal unabhängig arbeite. Henkler-Stephani ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Sein künftiger Chef Mücke aber wies den Vorwurf eines Interessenkonfliktes zurück. Der Chemiker habe sich seit eineinhalb Jahren beim BfR nicht mehr mit Tabakfragen befasst. Mücke sprach von „ausreichender Karenzzeit“. Nichtraucher Spatz überzeugt das nicht. „Henkler-Stephani ist immer noch Teil des Instituts, hat dort alle Türen offen und gilt als Topfachmann“, sagte der Arzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist