Durchsuchung in Finanzministerium 2021: Scholz-Razzia lässt Fragen offen

Vor der Bundestagswahl wurde das Finanzministerium durchsucht – wohl zu unrecht. Niedersachsens Justizministerin verteidigt die Razzia weiter.

Ein großes Historisches Gebäude in der Abendstimmung

Bundesfinanzministerium in Berlin Foto: Imago

HANNOVER taz | Es war der Aufreger kurz vor der Bundestagswahl: Die Durchsuchung des Bundesjustizministeriums und vor allem des damals von Olaf Scholz geführten Bundesfinanzministeriums auf Betreiben der Staatsanwaltschaft in Osnabrück am 9. September des vergangenen Jahres.

Eine Schmutzkampagne gegen ihren Kanzlerkandidaten witterte die SPD darin. Immerhin wird das Justizministerium in Niedersachsen von der CDU geführt und auch der Leiter der Staatsanwaltschaft Osnabrück, Bernard Südbeck, ist Mitglied der CDU.

Eine Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss strengte das Bundesfinanzministerium allerdings nicht an. Das tat viel mehr das ebenfalls von der SPD geführte Bundesjustizministerium.

Und sorgte damit in der vergangenen Woche für den nächsten Paukenschlag in dieser Affäre: Das Landgericht kassierte nämlich den vom Amtsgericht Osnabrück ausgestellten Durchsuchungsbeschluss. Die Aktion sei unverhältnismäßig und überzogen gewesen. Wesentliche Voraussetzungen hätten nicht vorgelegen, weil vorher gar nicht alle möglichen, milderen Mittel ausgeschöpft wurden. Vielmehr sei die Durchsuchung „geeignet, dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Institutionen einen nicht unbeachtlichen Schaden zuzufügen“.

Kein Anlass für personelle Konsequenzen?

Die so gescholtene Staatsanwaltschaft antwortete wiederum mit einer beleidigten Presseerklärung, in der sie die Anwürfe zurück wies und die Durchsuchung erneut mit dem drohenden Verlust von Beweismitteln rechtfertigte.

Das ist nun die Ausgangslage, vor der sich die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza erneut vor dem Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen erklären muss. Und sie tut das, in dem sie einerseits Fehler einräumt und gleichzeitig betont, wie wenig das im Ergebnis ändert.

Man wolle Berichtspflichten präzisieren und sich Pressemitteilungen zu derart sensiblen Verfahren vorher vorlegen lassen, heißt es. Das sind die Lehren, die man aus dieser Angelegenheit zieht, für personelle Konsequenzen sieht man keinen Anlass. Und auch wenn sie frühzeitig informiert worden wäre, sie hätte nicht in ein laufendes Ermittlungsverfahren eingegriffen. „Das wäre doch genau die politische Einflussnahme, die wir nicht wollen.“

Als Fehler bezeichnet Havliza allerdings einmal mehr die Tatsache, dass ihr Ministerium erst informiert wurde als die brisante Durchsuchung schon lief. Aber auch, dass sich wesentliche Schriftstücke, auf die diese Durchsuchung zielte, am Ende dann doch schon in den Akten fanden – weil sie nämlich bei einer früheren Durchsuchung der Financial Intelligence Unit (FIU) beschlagnahmt wurden.

Etliche Fragen bleiben unbeantwortet

Auf diesen Ursprungsskandal versuchen ihre Parteikollegen von der CDU, die Debatte immer wieder zurück zu führen. Das umfangreiche Vermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Osnabrück befasst sich nämlich damit, dass bei der FIU zu viele Geldwäsche-Hinweise sang- und klanglos versickern. Das ist eine Tatsache, die auch in anderen Bundesländern schon sauer aufgestoßen ist.

Nun unterstellt im Ausschuss niemand der Justizministerin persönlich, sie könnte dieses Verfahren genutzt haben, um damit Olaf Scholz zu schaden. Das liegt daran, dass die 63-jährige Ex-Richterin selbst bei der Opposition als überkorrekt gilt. Wenn Havliza die Unabhängigkeit der Justiz beschwört, dann glaubt man ihr das.

Trotzdem bleiben in der Affäre etliche Fragen unbeantwortet. Die beziehen sich vor allem auf zwei Themenkomplexe: Wie kam die fragwürdige Terminierung zu Stande und wer wusste wann davon? Wie realistisch ist der von der Staatsanwaltschaft befürchtete Beweismittelverlust?

Der Durchsuchungstermin steht deshalb im Fokus, weil Havliza auch bei dieser Gelegenheit nicht wirklich plausibel darlegen konnte, warum nun plötzlich Eile geboten war. Telefonisch hatte die Staatsanwaltschaft schon im Juni um die Unterlagen gebeten – und war abgeblitzt. Im August wurden die Durchsuchungsbeschlüsse beantragt, aber nicht umgesetzt, weil die zuständige Dezernentin im Urlaub war, dann kam es zu weiteren Verzögerungen, weil es Schwierigkeiten gab, bei der Polizei Personal zu bekommen und die Bahn streikte.

So landet man auf dem Termin dicht vor dem zweiten Kanzlertriell im TV, drei Wochen vor der Wahl. War den Handelnden die Brisanz nicht klar, egal oder gerade recht? Das ist die dringende Frage, die SPD, FDP und Grüne an dieser Stelle immer wieder stellen, ohne eine befriedigende Antwort zu bekommen.

Und auch bei der Frage, wie realistisch es ist, davon auszugehen, dass bei einem Macht- und Personalwechsel wesentliche Beweismittel verschwinden, gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Der CDU-Abgeordnete Christian Calderone bezeichnet diese Annahme der Osnabrücker Staatsanwaltschaft als „nicht lebensfremd“.

Was wiederum die Grüne Fraktionschefin Julia Hamburg zu der spitzen Frage an Havliza veranlasst, welche Erfahrungswerte sie denn dazu habe? Ob es wirklich üblich sei, dass im Falle eines Wechsels in Ministerien wesentliche Akteninhalte geschreddert werden? Das, kontert Havliza, könne sie wirklich nicht sagen, sie sei ja zum ersten Mal Teil einer Landesregierung. Als Strafrichterin habe sie so etwas allerdings in den verschiedensten Zusammenhängen schon erlebt. CDU-Mann Calderone rudert sicherheitshalber ein Stückchen zurück: Es sei ja nicht um Akten gegangen, sondern „flüchtige elektronische Kommunikationsmittel“. Gemeint sind damit vor allem E-Mails und Daten auf Diensthandys.

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