Durchsuchung bei „Berliner Morgenpost“: Rüge aus Karlsruhe
Die Karlsruher Richter stärkten erneut die Pressefreiheit. Redaktionsräume dürfen nicht durchsucht werden, um Informanten zu enttarnen.

Ausgangspunkt der Affäre war das Verbot des Berliner Hells Angels im Mai 2012. Eine gleichzeitige Razzia in den Vereinsräumen der Rockergruppe brachte nichts, weil die Rocker offensichtlich gewarnt waren. Besonders peinlich für die Polizei: Auch Spiegel online berichtete vorab über das Verbot. Offensichtlich hatte ein Polizist sowohl Rocker als auch Medien im Vorfeld informiert.
In Verdacht geriet ein Beamter aus dem Rocker-Dezernat des Berliner Landeskriminalamts. Als seine Wohnung durchsucht wurde, fand sich eine Rechnung des Polizisten in Höhe von rund 3.000 Euro an die Berliner Morgenpost. Sie war mit dem Vermerk versehen: „Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barauszahlung“. Daraus schlossen die Ermittler, dass der Kollege offensichtlich gegen Geld Informationen an die Berliner Morgenpost verkaufte.
Im November 2012 rückte deshalb die Polizei bei der Berliner Morgenpost an, um die Redaktionsräume zu durchsuchen. Die Zeitung hatte zwar eine Erklärung für die ominöse Rechnung, doch das konnte die Polizisten nicht von ihrem Vorhaben abhalten. Nach Angabe der Morgenpost hatte der LKA-Beamte einen Reporter der Morgenpost bei einer gefährlichen Recherchereise nach Amsterdam begleitet. Im Pädophilenmilieu suchten sie nach dem 1993 verschwundenen Berliner Jungen Manuel Schadwald, allerdings ohne ihn zu finden.
Dienstgeheimnisse angeblich verraten
Die Berliner Morgenpost, die damals zum Axel-Springer-Verlag gehörte und heute Teil der Funke-Mediengruppe ist, klagte gegen die Hausdurchsuchung. Und als dies keinen Erfolg hatte, erhob sie Verfassungsbeschwerde.
Die Karlsruher Richter stärkten nun erneut die Pressefreiheit. Sie bekräftigten, dass eine Redaktion nicht allein deshalb durchsucht werden darf, um einen Informanten zu identifizieren, der möglicherweise Dienstgeheimnisse verraten hat. Im konkreten Fall wurde zwar auch gegen den Reporter der Morgenpost ermittelt, der verdächtigt wurde, den Polizisten bestochen zu haben. Die Anhaltspunkte für diesen Verdacht hielt das Verfassungsgericht jedoch für zu dünn.
Die Erklärung der Zeitung für die aufgefundene Rechnung hielten die Richter für plausibel. Barzahlung habe der Polizist wohl vor allem deshalb verlangt, weil er wegen der Reise zwei Tage (wegen angeblicher Krankheit) im Dienst gefehlt und auch keine Genehmigung für die Nebentätigkeit hatte. Dass die Berliner Morgenpost etwas mit der verratenen Rocker-Razzia zu tun hat, fanden die Richter abwegig. Schließlich hatte ja nicht die Morgenpost, sondern Spiegel online vorab berichtet.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links