Dschihadisten vor Kobane: IS hisst Flagge auf erobertem Gehöft
Dschihadisten des IS haben ein erstes Haus in unmittelbarer Nähe von Kobane erobert. Die kurdische YPG geht zum Gegenangriff über.
SURUC afp | Die syrische Kurdenstadt Kobane wankt: Im Osten der umkämpften Grenzstadt zur Türkei sind am Montag zwei Fahnen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gehisst worden. Eine Fahne wehte auf einem Gebäude an der östlichen Stadtgrenze und eine weitere auf einem benachbarten Hügel, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP von der türkischen Seite der Grenze aus beobachtete. In der Nacht waren IS-Kämpfer laut Aktivisten erstmals in die Stadt eingedrungen.
Die Lage in der Stadt war zunächst unklar: Ein Kurdenvertreter aus der Region, Idris Nahsen, sagte telefonisch, er könne nicht bestätigen, dass IS-Kämpfer in die Stadt eingedrungen seien. Kobane ist seit mehr als zwei Wochen Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen IS-Milizionären und kurdischen Peschmerga. Die Stadt liegt unmittelbar an der syrisch-türkischen Grenze. Die IS-Truppen standen zuletzt nur noch wenige hundert Meter vor Kobane.
Bereits in der Nacht zum Montag hatten IS-Kämpfer versucht, die Stadt von Osten und Westen aus einzunehmen, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Den materiell unterlegenen kurdischen Verteidigern war es jedoch zunächst gelungen, sie abzuwehren.
Laut Beobachtungsstelle wurden bei dem nächtlichen Angriff mindestens 20 IS-Kämpfer getötet, nachdem sie offenbar in den Ostteil der Stadt vorgedrungen waren. „Die Dschihadisten starben in einem Hinterhalt der YPG, nachdem sie in der Nacht in die Straße 48 eingedrungen waren“, sagte der Chef der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Die in England ansässige Beobachtungsstelle stützt ihre Angaben auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien, wegen der Sicherheitslage sind ihre Angaben jedoch von unabhängiger Seite kaum überprüfbar.
Niederländische Kampfjets über dem Irak
Am Sonntag hatten die Peschmerga erstmals eine Selbstmordattentäterin gegen die vorrückenden Dschihadisten eingesetzt. Die Kurdin sprengte sich laut der Beobachtungsstelle und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) bei einer IS-Stellung in die Luft.
Die Kämpferin habe dutzende IS-Kämpfer getötet, sagte ein kurdischer Vertreter in Kobane, Mustafa Bali, am Telefon. Sie habe zunächst zahlreiche Granaten auf IS-Kämpfer geworfen und sich sich dann in die Luft gesprengt. Die YPG gaben ihren Namen mit Dilar Gencxemis an, ihr Kampfname sei Arin Mirkan. Sie stamme aus der syrischen Stadt Afrin bei Aleppo.
„Sie tötete dutzende Bandenmitglieder und demonstrierte die Entschlossenheit der YPG-Kämpfer zum Widerstand“, erklärten die Volksverteidigungseinheiten. Falls nötig, würde „alle YPG-Kämpfer ihrem Beispiel folgen“. Der IS werde sein Ziel, Kobane einzunehmen, nicht erreichen.
Am Sonntag wurden laut der Beobachtungsstelle mindestens 19 kurdische Kämpfer und 27 IS-Extremisten getötet. Unterstützung erhalten die Kurden durch Luftangriffe der internationalen Allianz gegen die IS-Kämpfer. Den IS-Vormarsch vermochten sie dennoch nicht zu stoppen. Seit Beginn der Gefechte flohen mehr als 180.000 Menschen aus Kobane und den umliegenden Dörfern über die Grenze in die Türkei.
Seit Anfang August fliegt die US-Luftwaffe Angriffe auf IS-Stellungen im Irak, seit Ende September außerdem in Syrien. Unterstützt wird sie dabei von Jordanien, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Aus Europa erhält die Koalition außerdem militärische Unterstützung von Frankreich und Großbritannien.
Am Sonntag flogen erstmals auch niederländische Kampfbomber über dem Irak. Die F-16-Flugzeuge sollen Luftunterstützung für irakische und kurdische Bodentruppen leisten. Das australische Militär teilte am Montag mit, auch erste australische Kampfjets seien im Irak zum Einsatz gekommen. Luftangriffe gab es demnach aber noch nicht.
Dieser Artikel wurde aktualisiert um 16.35 Uhr.
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