Drugchecking in Berlin: Wissen, was man nimmt
In Berlin kann man jetzt harte Drogen auf ihre Inhaltsstoffe checken lassen – und das ist sehr vernünftig.
E s gibt in Berlin eine etwa drei Kilometer lange Achse, die grob gesagt vom südlichen Friedrichshain zum Kottbusser Tor in Kreuzberg führt, auf der man harte Drogen auf der Straße nicht nur kaufen kann, sondern streckenweise geradezu aufgedrängt bekommt. Im Rest der Stadt übernehmen die so genannten Kokstaxis das Geschäft. Wem das nicht passt, der schlägt in der Regel vor, immer mehr Polizei dagegen einzusetzen. An der Verfügbarkeit von Drogen geändert hat das nie etwas.
Dabei gibt es durchaus ein Problem. Denn die Menschen wissen oft gar nicht, was sie da eigentlich konsumieren. Das zeigt etwa ein Blick in die Schweiz, auf die Webseite Safer Party, eine Initiative der Stadt Zürich. Bei praktisch jeder im Labor der dortigen kommunalen „Kantonsapotheke“ analysierten Drogenprobe steht ein Warnhinweis. „Syntheseverunreinigung“ heißt es manchmal.
Dann sind unbekannte Stoffe enthalten, von denen niemand weiß, wie sie auf den Körper wirken. Streckmittel werden entdeckt, meist aber steht dort „extrem überdosiert“. Die doppelte Wirkstoffmenge dessen, was ein gesunder Organismus verträgt, ist heute oft in Ecstasy-Pillen enthalten. Manchmal gar das Vierfache. Für Konsument:innen ist das unmöglich zu erkennen.
Teils hat sich das herumgesprochen. Teils auch nicht. Unwissenheit, Alkoholeinfluss, Leichtsinn – es gibt viele Gründe, warum Menschen unvorsichtig sind und zu viel nehmen. Eine ganze Pille oder gar zwei. Das kann dann ein Ticket auf die Intensivstation sein. Wenn es schlecht läuft, stirbt man.
Mischkonsum und Überdosierung sind gefährlich
Die Dosis macht das Gift. Bei Rauschmitteln gilt das ganz besonders. Überdosierung ist eine verbreitete drogenbedingte Todesursache bei Konsument:innen, genau wie Mischkonsum. „Polytoxikomanie“ ist der Fachausdruck. Doch woher sollen vor allem Jugendliche wissen, wie man dessen Risiken vermeidet? Das Einzige, was ihnen institutionell zu dem Thema vermittelt wird, ist: Drogen machen abhängig und sind verboten. Das reicht nicht.
Berlin lebt auch, immer noch, von seiner einzigartigen Subkultur. Menschen aus der ganzen Welt kommen deshalb in die Stadt. Drogen zu nehmen gehört für einen Teil von ihnen dazu. Erfahrung damit haben sie teils keine. Auch ihnen sagt niemand, was zu beachten ist. Im Juni 2017 starb eine 30-jährige Amerikanerin so an einer Überdosis im Club Berghain. Ihr Tod erregte viel Aufsehen. Andere Fälle, die „nur“ im Krankenhaus landen, tun das nicht. Doch die gibt es zuhauf, wie Beschäftigte in Notaufnahmen berichten.
Das war bislang die Realität. Und so ist es ein humaner und in jeder Hinsicht vernünftiger Ansatz, dass Berlin in dieser Woche eine Möglichkeit zum sogenannten Drugchecking eingeführt hat: In Beratungsstellen können Konsument:innen Substanzen untersuchen lassen. Das Ergebnis gibt es kostenlos und anonym per Telefon, Aufklärung inklusive. Das ist ein Erleichterung für Konsument:innen, denen an ihrer Gesundheit liegt. Und davon haben auch andere etwas – wenn Testergebnisse im Netz veröffentlicht werden.
Der Staat „verharmlost“ dadurch den Konsum nicht, und er „animiert“ auch niemanden zu diesem, wie Kritiker:innen behaupten. Andere Staaten, vor allem die konservative Schweiz, haben beste Erfahrungen mit Drugchecking gemacht: Neue Substanzen und Konsumtrends werden früh erkannt, der Zugang zu Beratungen ist niedrigschwellig und wird gut angenommen. Das Berliner Projekt wurde noch vom rot-rot-grünen Senat ab 2016 auf den Weg gebracht. Die jetzt regierende CDU sollte der Versuchung, die Dinge hier wieder zurückzudrehen, unbedingt widerstehen.
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