Berlin bekommt Drogen-Check-Stelle: Das ist mehr als überfällig
Illegale Drogen können bei einer offiziellen Drogen-Check-Stelle überprüft werden – die Konsumenten bleiben anonym. Ein Wochenkommentar.
Treffen sich ein CDU-Politiker und sein unsichtbarer Freund in einem Club an der Bar. Die Unterhaltung geht nur schleppend voran. Denn obwohl sich der Unsichtbare alle Mühe gibt, das Gespräch am Laufen zu halten, bleibt es doch etwas unkohärent. Der Politprofi hat einfach schlechtes MDMA erwischt, wer weiß, was da untergemischt ist. Eben war er kräftig am Labern (irgendwas mit „bauen, bauen, bauen“), jetzt ist er ganz still. Milchpulver und Koffein allein werden das nicht sein, vielleicht ist die Dosierung auch einfach nur ungewohnt hoch … Schweißausbrüche, Atemnot, der Mann braucht Wasser und frische Luft. Vermeidbar wäre das gewesen, wenn das Pülverchen nur sauber deklariert gewesen wäre, jedoch: Für illegalisierte Substanzen gibt es keine Beipackzettel.
Nun lässt sich vieles gegen all die Mittelchen einwenden, letztlich aber bleibt es dabei, dass der größte Schaden, den illegale Drogen anzurichten vermögen, in ihrer Illegalität begründet ist. Nichts tun all die Pillen und Lines, was Alkohol nicht ebenso anrichten kann, außer eben Verbrecher*innen qua Besitz und Nutzung zu erzeugen. Die Willkür der Verbote liegt auf der Hand, der weitestgehend harmlose Konsum ist machtvolle Realität.
Der Plan, Drugchecking für Berliner Clubgänger*innen anzubieten, ist mehr als überfällig. Ganz sicher wird hier kein Problem so existenziell drückend wie der Mietenwahnsinn angegangen, die Botschaft ist aber ähnlich wichtig. Schließlich wird auch an dieser Stelle Politik für Menschen gemacht, die tatsächlich in dieser Stadt leben und, ja, feiern.
Das ewige Missverständnis, dass Jugendschutz nur als Verbotskatalog wirksam sein könne, wird endlich zum Schwarzweiß-Fernsehen, zur Kittelschürze und dem Wählscheibentelefon in die Mottenkiste gelegt. Informierter Umgang mit dem eigenen Körper ist schließlich die beste Waffe gegen Missbrauch und gefährlichen Kontrollverlust. So wie gepredigte Enthaltsamkeit noch keine ungewollte Schwangerschaft verhindert hat, der freie Zugang zu Verhütungsmitteln aber schon, so wichtig ist die Ermächtigung zum souveränen Umgang mit berauschenden Substanzen.
Der nächste Schritt nach dem noch immer reichlich komplizierten Drugchecking kann am Ende nur die Legalisierung sein. Ein Reinheitsgebot für Speed, EU-Normen für Dope? Gestempelt, versteuert, gekauft! So halten wir auch noch die paar Legislaturen aus, bis Rot-Rot-Grün alle Wohnhäuser der Stadt gekauft, sowie den Sozialismus eingeführt hat und chemisch induzierte Realitätsflucht mithin schlicht unnötig geworden ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione