Druck auf Regierungschef Netanjahu: In drei Phasen zum Kriegsende?

US-Präsident Joe Biden legt einen Vorschlag für einen Israel-Hamas-Deal vor. Doch eine zentrale Frage bleibt offen.

Tausende Menschen versammeln sich in Tel Aviv und tragen ein gemeinsames Banner

Demo in Tel Aviv am Samstag Abend: Tausende fordern ein neues Abkommen Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa

BERLIN taz | Eigentlich beinhaltet der Vorschlag, der nun für Furore sorgt, nicht viel Neues. Der mögliche Deal zwischen Israel und der Hamas, dessen Details von US-Präsident Joe Biden am Freitag öffentlich gemacht wurden, ähnelt dem Entwurf eines Dreiphasenabkommens, der in der letzten Verhandlungsrunde auf dem Tisch lag. Im Zentrum steht ein Austausch aller israelischen Geiseln gegen Hunderte palästinensische Gefangene sowie ein Waffenstillstand im Gazastreifen. Aber der Druck vor allem auf Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu steigt, einem Deal zuzustimmen.

In Israel gingen am Samstag Zehntausende auf die Straßen, forderten ein Geiselabkommen und skandierten, die Zeit von Netanjahus rechts-religiöser Koalition sei vorbei. Die Zeitung Times of Israel berichtete unter Berufung auf die Organisatoren, dass allein in Tel Aviv 120.000 Menschen demons­trierten. Es sei der größte Protest gewesen seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober, das den Gazakrieg auslöste.

Auch US-Präsident Biden will offenbar den Druck auf seinen Verbündeten sowie auf die Hamas erhöhen. „Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden“, sagte er am Freitag in einer TV-Ansprache. „Ein unendlicher Krieg zur Verfolgung eines nicht definierten Konzepts des ‚totalen Siegs‘ wird Israels Isolation in der Welt weiter vorantreiben“, sagte er in direkter Anspielung auf Netanjahu, der wiederholt einen „totalen Sieg“ versprochen hat. In einer gemeinsamen Erklärung mit den Vermittlern Ägypten und Katar riefen die USA sowohl Israel als auch die Hamas zu einer Einigung auf.

Unklar, wie es eine Konstellation ohne die Hamas gibt

Interessanterweise sagte Biden auch, das Angebot werde „einen besseren ‚Tag danach‘ in Gaza ohne die Hamas an der Macht schaffen und den Weg für eine politische Lösung ebnen“. Wie allerdings eine politische Konstellation ohne die Hamas geschaffen werden könnte, blieb offen. Unklar blieb zudem, inwieweit Bidens Vorschlag mit Israel abgestimmt war. Biden sagte, Israel habe dem Vorschlag zugestimmt. Israel bestätigte das am Wochenende allerdings nicht.

Bidens Aussagen zufolge umfasst das Angebot drei Phasen: Innerhalb von zunächst sechs Wochen soll eine Anzahl von Geiseln – darunter Frauen, Ältere und Verletzte – gegen Hunderte palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden. Es soll Waffenruhe herrschen, und die israelische Armee soll sich aus den bewohnten Gebieten Gazas zurückziehen. Parallel dazu würden Israel und die Hamas über eine „dauerhafte Einstellung der Kampfhandlungen“ verhandeln. Phase zwei sieht den vollständigen Rückzug Israels vor sowie die Freilassung aller restlichen Geiseln. Phase drei umfasst den Wiederaufbau Gazas.

Doch bereits der Plan für die erste Phase wirft eine zentrale Frage auf: Wenn Israel aus weiten Teilen Gazas abzieht, wer übernimmt dann die Kontrolle? Solange es keinen Plan für den „Tag danach“ gibt, an dem alternative palästinensische Kräfte oder eine Friedenstruppe übernehmen, wird die Hamas das Vakuum füllen. Bidens Versprechen einer Nachkriegsordnung ohne die Hamas wäre gebrochen, und Israels Kriegsziel der Vernichtung der Hamas bliebe unerreicht.

Ganz von der Hand zu weisen ist daher die Kritik von Netanjahus Rechts-außen-Ministern nicht, dass ein solcher Deal ein Einknicken bedeuten würde. Finanzminister Bezalel ­Smotrich und der Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, drohten prompt damit, die Regierung platzen zu lassen, sollte Netanjahu den Deal annehmen wollen.

Auch Regierungschef Netanjahu selbst wiederholte am Samstag sein Mantra von der Zerstörung der Terrororganisation Hamas. „Israels Bedingungen für die Beendigung des Kriegs haben sich nicht geändert“, erklärte er. Dazu zählten die Zerstörung der militärischen Kapazitäten und Einheiten der Hamas, deren Fähigkeit zu regieren sowie die „Freilassung aller Geiseln“.

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