Druck auf Löhne: Altenheim verlässt die Diakonie
Das Altenheim Egestorff-Stiftung will mittels einer Insolvenz raus aus der Diakonie. 85 Mitarbeitern setzt die Geschäftsführung jetzt die Pistole auf die Brust.
Die Geschäftsführung des Altenheims Egestorff-Stiftung hat seinen Angestellten die Pistole auf die Brust gesetzt: Bis zum 15. November sollen die 85 Mitarbeiter entscheiden, ob sie bereit sind, in einer neuen Gesellschaft zu schlechteren Konditionen zu arbeiten – oder ihre Sachen packen.
Bisher gelten für sie die Arbeitsverträge des Diakonischen Werks, doch damit soll jetzt Schluss sein: Um den Betrieb aus dem Bundesverband der evangelischen Kirchen zu lösen, will die Stiftung zum Jahresende Insolvenz anmelden. Betroffen sind 85 Mitarbeiter des Altenheims in Osterholz. Der überwiegende Teil ihrer Kollegen arbeitet bereits seit Jahren in einer anderen Gesellschaft – zu schlechteren Arbeitsbedingungen.
Vorletzte Woche habe der Geschäftsführer, Josef Wobbe-Kallus, bei einer Versammlung erklärt, dass jene Gesellschaft, die bisher nach Diakonietarif bezahlt, Insolvenz anmelden wird, so Elke Dubbers, Betroffene und Vorsitzende der Mitarbeitervertretung. „Es heißt, die neuen Verträge seien Einzelverträge, ohne automatische Lohnerhöhungen, Urlaubs- und Weihnachtsgeld.“ Zu sehen bekommen hätten die Mitarbeiter diese Verträge allerdings noch nicht. „Und das, obwohl wir uns ja schon in einer Woche entscheiden sollen“, sagt Dubbers.
Detlev Nolte von der Egestorff-Stiftung bestätigt das. Man habe sich für den „Weg eines geordneten Insolvenzverfahrens entschieden, weil die Ausgaben über die Pflegesätze nicht gedeckt werden können“. Der Bremer Landesdiakoniepfarrer Manfred Meyer sagt der taz, auch er habe erst am Donnerstag von der angekündigten Insolvenz erfahren. „Das Diakonische Werk bedauert es sehr, dass damit 85 Mitarbeiter aus dem Tarifvertrag fallen“, betont er. Die Diakonie begrüße dieses Vorgehen in keinster Weise. „Wir können und wollen aber nicht in die Gremien selbstständiger Unternehmen eingreifen.“ Dennoch habe er den Geschäftsführer der Egestorff-Stiftung nun um ein Gespräch gebeten.
Helmut Schümann, Vorsitzender des Gesamtausschusses der Mitarbeitervertretungen des Diakonischen Werks in Bremen kritisiert, dass das Altenheim sich somit vom sogenannten Dritten Weg des kirchlichen Arbeitsrechts verabschiedet. Anders als im üblichen staatlichen Arbeitsrecht versteht sich dieser als eine Dienstgemeinschaft, in der kein Streikrecht vorgesehen ist. Arbeitsbedingungen und Löhne werden in paritätisch von Arbeitgebern und Beschäftigten besetzten Kommissionen festgelegt.
In Niedersachsen hat die Kirche diesen Sonderweg des kirchlichen Arbeitsrechts bereits verlassen. Hier dürfen seit März auch Gewerkschaften Tarifverträge mit aushandeln. In Bremen hält das Diakonische Werk am Dritten Weg fest – mit einer Ausnahme: Im Altenpflegebereich verhandelt auch Ver.di über Tarifverträge mit. Am 18. November wollen die Mitarbeitervertreter der Egestorff-Stiftung für ihre Tarifflucht ein schwarzes Schaf überreichen.
Die Mitarbeiter der Stiftung wollen nun versuchen, noch „einiges rauszuholen“. Vor allem für die älteren Kollegen stehe vieles auf dem Spiel, sagt Dubbers. Für die soll auch die betriebliche Altersversorgung wegfallen.
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