Drohnenangriffe auf Russland: Putins Krieg klopft in Moskau an
Nach Drohnenattacken auf die russische Hauptstadt macht der Kreml die ukrainische Regierung verantwortlich. Wie reagieren die Menschen vor Ort?
Es ist in der Tat ein Erwachen, bei dem die Russinnen und Russen erstmals selbst erfahren, wie sich Krieg anfühlt. Jener Krieg, den das Land seit mehr als 15 Monaten gegen die Ukraine führt und der hier nur „militärische Spezialoperation“ genannt wird. Acht Drohnen sollen in den Morgenstunden Anflug auf Moskau genommen haben. „Drei davon haben die Kontrolle verloren und waren von den angestrebten Zielen abgewichen“, so das russische Verteidigungsministerium.
Fünf weitere Drohnen seien von der russischen Flugabwehr abgeschossen worden. Manche unbestätigte Quellen nannten bis zu 32 Flugobjekte. Einer der Orte, an dem eine offenbar abgeschossene Drohne abstürzte und explodierte, befindet sich nur wenige Kilometer Luftlinie von Nowo-Ogarjowo entfernt, der Vorstadtresidenz des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Wenige Stunden später waren einige Moskauer Straßen von Polizei, Feuerwehr und Geheimdienst abgeriegelt. Im Südwesten Moskaus stauten sich die Autos.
Das Moskauer Verteidigungsministerium sprach von einem „Terrorakt des Kyjiwer Regimes“, Belege dafür lieferte es nicht. Auch der Kemlchef meldete sich im Laufe des Tages zu Wort: Die Ukraine wolle die Russen „verängstigen“ und habe mit dem Angriff zivile Ziele treffen wollen. Doch die Luftverteidigung habe gut funktioniert, so Putin.
Sein Sprecher Dmitri Peskow hatte zuvor bereits betont, dass die Attacke den Kreml darin „bestätigt“, die „Spezialoperation fortzuführen und die gesetzten Ziele zu erreichen“. Für Moskau und seine Bewohner sah Peskow „keine Gefahr“. Auch Bürgermeister Sergej Sobjanin sprach nur von „geringfügigen Schäden“. Umso drastischer fielen die Worte aus, die eine mögliche russische Reaktion auf die Attacke betreffen: Dumavizesprecher Pjotr Tolstoi, ein furioser Kriegsbefürworter, forderte etwa die „Mobilisierung aller Kräfte“ sowie die Einnahme der ukrainischen Hauptstadt.
Auch Kyjiw wurde erneut beschossen
Kyjiw wies die Beteiligung an der Drohnenattacke am Dienstag sofort zurück und reagierte mit Spott: „Womöglich wollen russische Drohnen ja zu ihren Absendern zurück“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak in einer YouTube-Sendung des unabhängigen russischen Journalisten Alexander Pljuschtschew.
Wo die Drohnen gestartet sind und um welchen Typ es sich genau handelt, lässt sich derzeit nicht sicher sagen. Das Ziel allerdings dürfte eindeutig ein: Die Angriffe sollen für Unsicherheit in der russischen Bevölkerung sorgen und – wie bereits der Drohnenangriff auf den Kreml vor vier Wochen – die Verletzlichkeit Moskaus zeigen. Ins Bewusstsein vieler Menschen aber gelangt die Gefahr nur bedingt. „Ich verstehe gar nicht, warum uns das trifft“, sagt eine Anwohnerin, die das russische Staatsfernsehen in den Nachrichten zeigt. Im Zentrum der Stadt flanieren die Menschen gelassen durch die Sonne. „Ich habe mit Politik nichts zu tun“, sagen sie. Oder: „Das ist alles weit weg von mir.“
Ebenfalls mit Drohnen hat Russland am Dienstag seine jüngste Angriffswelle auf Kyjiw fortgesetzt. Fragmente der von der Luftabwehr abgeschossenen Flugobjekte seien unter anderem in ein Wohnhaus gestürzt und hätten einen Zivilisten getötet. Eine ältere Frau sei in ein Krankenhaus gebracht worden, meldete die Staatsagentur Ukrinform unter Berufung auf die Stadtverwaltung und Kyjiws Bürgermeister Witali Klitschko. Der Wohnblock sei in Brand geraten.
Die Sucharbeiten dauerten am Dienstag noch an, da womöglich weitere Menschen unter den Trümmern eingeschlossen sind. Weitere Fragmente abgeschossener feindlicher Drohnen seien in verschiedenen Bezirken abgestürzt und hätten unter anderem Autos beschädigt. Nach Angaben der Militärverwaltung sind im Kyjiwer Luftraum mehr als 20 Drohnen von der ukrainischen Luftabwehr zerstört worden.
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