Drohende Abschiebung der Familie Pham: Vorsichtiger Optimismus

Familie Pham darf vorerst in Chemnitz bleiben. Die Stadt will das Bleiberecht erneut prüfen. Pham Phi Son hat ähnliche Zusagen schon früher erhalten.

Hoa Nguyen, Tochter Emilia und Pham Phi Son

Hoa Nguyen, Tochter Emilia und Pham Phi Son Foto: Sebastian Willnow/dpa

BERLIN taz | Rund 250 Menschen haben am Freitag Abend an einer Kundgebung vor der Chemnitzer Ausländerbehörde ein Bleiberecht für den ehemaligen DDR-Vertragsarbeiter Pham Phi Son und seine Familie gefordert. Es waren Mitglieder der katholischen Gemeinde Chemnitz gekommen, der die vietnamesische Familie angehört, viele ältere ChemnitzerInnen und VertreterInnen aus der Politik. Aber auch jüngere Deutschvietnamesen, die den Kampf um das Bleiberecht für ehemalige DDR-Vertragsarbeiter aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Angemeldet hatte die Veranstaltung der Sächsische Flüchtlingsrat.

Pham Phi Son lebt seit 36 Jahren in Sachsen. Strafrechtlich ist er ein unbescholtener Bürger, aber ihm wurde zum Verhängnis, dass er 2016 länger als die erlaubten sechs Monate Urlaub in Vietnam machte. Die Frist überschritt er, weil unter dem subtropischen Klima eine alte Kriegsverletzung am Bein wieder aufflammte und medizinisch behandelt werden musste. Als die Chemnitzer Ausländerbehörde ein Jahr später die Fristüberschreitung bemerkte, entzog sie ihm das Aufenthaltsrecht. Und seiner neu nach Deutschland gereisten Frau Hoa Nguyen und der hier geborenen Tochter gleich mit.

Gerichte haben den Antrag der Familie auf ein humanitäres Bleiberecht ebenso abgelehnt wie die Sächsische Härtefallkommission, zuletzt in der vergangenen Woche. Um der Abschiebung zu entgehen, war die Familie ab 2019 zwei Jahre lang untergetaucht. Inzwischen arbeiten die Eltern in einem Restaurant bei Chemnitz. Der Arbeitgeber sagte gegenüber einer Regionalzeitung, dass er seine Mitarbeiter dringend brauche. Die Tochter besucht den Kindergarten und soll im Sommer eingeschult werden. Sie war nie in Vietnam.

Chemnitz will Fall prüfen

Die gute Nachricht kam wenige Stunden vor der Kundgebung: Die Stadt Chemnitz hatte zugesichert, den Fall nochmals zu prüfen und „vorerst“ auf eine Abschiebung zu verzichten. „Die Behörde wird Kontakt zur Familie und deren Anwältin aufnehmen und das weitere Vorgehen abstimmen“, schrieb die Stadt auf ihrer Website. Dabei geht es darum, wie „die noch fehlenden Nachweise der nachhaltig wirtschaftlichen und sprachlichen Integration“ der Familie erbracht werden.

Pham Phi Son reagierte vorsichtig optimistisch, solche vagen Zusagen habe er schon viele erhalten. Von der Unterstützung auf der Kundgebung zeigte er sich sichtlich gerührt und dankte jedem einzelnen Anwesenden. Für den sächsischen Flüchtlingsrat ist die Familie ein Musterbeispiel für gelungene Integration.

Es könnte zu einem Problem werden, dass der Familienvater trotz 36 Jahren Aufenthalt in Deutschland nur bescheiden Deutsch spricht. In der DDR war eine Integration nicht gewollt, die sprachliche Verständigung erfolgte am Arbeitsplatz durch Dolmetscher. Später bekamen ehemalige DDR-Vertragsarbeiter immer nur ein Aufenthaltsrecht, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienten. Da das meist in prekärer wirtschaftlicher Selbständigkeit geschah, blieb keine Zeit zum Deutschlernen. Einen Rechtsanspruch zum Deutschlernen gibt es erst seit 2014.

Zehntausende unterzeichnen Petition für Bleiberecht

Der Sächsische Flüchtlingsrat hat letzten Mittwoch eine Onlinepetition an Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und weitere LandespolitikerInnen wieder aufleben lassen, in der ein Bleiberecht für die Familie gefordert wird. Inzwischen haben fast 100.000 Menschen unterschrieben. In einer zweiten Petition, die innerhalb weniger Tage 35.000 Unterschriften fand, fordert die Deutschvietnamesin Hami Nguyen aus Frankfurt/Main dasselbe an die Adresse der Bundesinnenministerin Nancy Faeser.

Es ist auch meine ganz persönliche Geschichte“, schreibt sie. „Auch mein Vater war Vertragsarbeiter in der DDR und wurde vor einigen Jahren abgeschoben, nachdem er in Deutschland gelebt und gearbeitet hat. Mein Vater muss seitdem in einem Land leben, in dem er niemanden mehr kennt. Das ihm fremd ist. Dass ich, seine Tochter, noch hier bin, ist bei dieser Willkür-Politik reines Glück.“

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