piwik no script img

Dreikönigstreffen der FDP Im milden Gold-Gelb

Auf dem Dreikönigstreffen schlägt Neu-Finanzminister Lindner ausgleichende Töne an. Nur der Grüne Kretschmann muss als Feindbild herhalten.

Gab sich diesmal ausgleichend und staatstragend: FDP-Chef Christian Lindner in Stuttgart Foto: Sebastian Gollnow

STUTTGART taz | Keine Lounge-Sitzgruppe mehr, das Logo hat wieder mehr Gelbanteil und die fast leere Bühne der Stuttgarter Staatsoper ist in altgoldenes Licht getaucht. Nach Jahren in der teils außerparlamentarischen, teils selbst gewählten Opposition, präsentiert sich die FDP bei ihrem zum zweiten Mal nur virtuell stattfindenden Dreikönigstreffen vor allem staatstragend.

Keine lauen Witzchen über Hitzesommer, sondern Klimapolitik als zentrale Frage

Und da Parteichef und Finanzminister Christian Lindner natürlich der Top-Act des traditionsreichen Liberalentreffens bleibt, lässt er dieses Mal die große Trommel zu Hause und fängt auch manchen schrillen Ton seines Parteifreunds Wolfgang Kubicki zur Impfpflicht ein: Die Partei wolle einen „wirksamen Gesundheitsschutz mit möglichst viel Freiheit“, sagt Lindner. Und zitiert dann die FAZ, die der FDP mit ihrer Nachdenklichkeit einen Dienst an der Demokratie bescheinigt.

Die Nachdenklichkeit könnte man auch Unentschlossenheit nennen. Auch beim Landesparteitag der FDP am Tag zuvor gab es eine kontroverse Debatte zur Impfpflicht und die Partei konnte sich auch hier auf keine gemeinsame Position einigen. Der Landesvorsitzende Michael Theurer äußerte vor allem Zweifel an den Zwangsmaßnahmen, welche die Ampelparteien befürworten.

Lindner reicht der Union die Hand

Deshalb schlägt Lindner in seiner Rede vor allem ausgleichende Töne an: Er bescheinigt eigentlich allen demokratischen Parteien, berechtigte Anliegen zu vertreten und bietet der CDU/CSU-Opposition im Bundestag ein „konstruktives Zukunftsgespräch“ an. Dabei setze er auf Friedrich Merz als Oppositionsführer, sagt Lindner. Die FDP habe kein Interesse an einer Entfremdung zur Union. Kein Wunder, stehen doch vier Landtagswahlen an, in denen die FDP auch die CDU als Koalitionspartner braucht, wenn sie mitregieren will. Die Spitzenkandidaten aus dem Saarland, NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein dürfen in Stuttgart mit knappen Videobotschaften grüßen.

Auch bei Lindners Finanzpolitik ist für fast jeden etwas dabei. Das Aufstiegsversprechen für die Leistungswilligen, ein Bekenntnis zur Schuldenbremse, die Staatsausgaben und Umverteilung im Rahmen halte. Trotzdem sei der viel kritisierte Nachtragshaushalt als Wirtschaftsbooster nach der Pandemie wichtig. So blieben wichtige Investitionen des Staates möglich. Zugleich kündigt er an, die Neuverschuldung im kommenden Jahr zurückzufahren.

Absage an eine Renaissance der Atomkraft

Ganz im Sinne des Koalitionspartners – „unseren Freunden von Bündnis 90/Die Grünen“ – wendet sich Lindner entschieden gegen eine Renaissance der Kernkraft. Die Technologie sei vielleicht CO2-frei, aber nicht nachhaltig. Was man als überzeugter Marktwirtschaftler schon daran erkennen könne, dass es in Deutschland keine Versicherung gebe, die bereit wäre, neue Atomkraftwerke zu versichern. Wenn die EU Kernkraft im Zuge der Taxonomie tatsächlich für nachhaltig erklärt, sei das wettbewerbsverzerrend, meint Lindner.

Überhaupt redet Lindner so ausführlich wie bei keinem bisherigen Dreikönigstreffen über die Klimapolitik. Wo er früher laue Witzchen über Hitzesommer machte, erklärt er diesmal die Klimapolitik zur entscheidenden Frage, „bei der Geschwindigkeit und Qualität über die Zukunft des Wohlstands entscheidet“.

Feindbild Winfried Kretschmann

Bei so viel grünem Liberalismus bleibt wenigstens ein altes Feindbild übrig: der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Winfried Kretschmann hatte im Frühjahr eine Ampelkoalition im Land vor allem wegen des „Auspuffliberalismus“ der Südwest-FDP ausgeschlagen und lieber weiter mit der CDU regiert. Über Weihnachten hatte sich Kretschmann dann mit Kubicki ein Scharmützel zur Impfpflicht geliefert und in einem Interview mit der taz dem „Hyperliberalismus“ die Schuld an der verbreiteten Impfskepsis gegeben.

Der FDP-Landesvorsitzende Theurer erklärt Kretschmann beim Dreikönigstreffen deshalb listig zum „führenden Vertreter der Konservativen im Südwesten“. Der Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag, Hans-Ulrich Rülke, wirft ihm gleich vor, er wolle „die parlamentarische Demokratie aushebeln und zu autoritären Strukturen zurückkehren“. Kretschmann sei in seiner Jugend bei Mao Zedong gestartet und dann irgendwann mal bei der Philosophin Hannah Arendt zwischengelandet, sagt Rülke. „Jetzt im Alter kehrt er wieder zu Mao zurück.“ Da war sie dann nochmal, die schrill-pinke FDP der vergangenen Jahre.

meinung + diskussion

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • Wenn Lindner sich in dieser Partei mit seinem Spruch 'Freiheit vor Gesundheit' duchsetzt, ist es an der Zeit, eine Verbotsdebatte gegenüber diesen Ellenbogenartisten zu starten. Für mich ist Gesungheit das höchste Gut, wer dem widerspricht, geht über Leichen. Solche Schwurbler gehören verboten !

    • 0G
      05989 (Profil gelöscht)
      @Dietmar Rauter:

      Ich bin da unentschlossen, denn Gesundheit als höchstes Gut impliziert Gesundheit um jeden Preis.

      Bei aller Liebe zu staatlichen Gesundheitssystemen - aber "höchstes Gut" ist nicht mehr realisierbar. Das 80% der Gesundheitskosten in den letzten zwei Lebenswochen anfallen hat sicher viele (auch einfach statistische) Gründe - alleine die Rechnungslegung hat im Tod einen festen Anker - aber sie ist eben auch Symptom, wenn Hochbetagte noch intensivmedizinisch betreut werden.

      Gesundheit wird auch immer persönliche Verantwortung bleiben müssen, deswegen mag ich ihrer Begründung nicht beispringen.

      Im Übrigen bin ich aber auch der Überzeugung, dass die FDP zerstört werden muss! ;)