Dortmund entlässt Trainer Favre: Es hat gefehlt
Borussia Dortmund schöpft sein Potenzial wieder nicht aus. Nach der 1:5-Pleite gegen den VfB Stuttgart zieht der Verein Konsequenzen.
Am Sonntagmittag sickerte dann durch, was ein logischer Schritt dieser Fehlentwicklung sein könnte: Wie der Verein später bestätigte, hat sich Borussia Dortmund von Lucien Favre getrennt. Damit zog der wankende Titelaspirant die Konsequenzen aus dem 1:5-Debakel gegen Aufsteiger VfB Stuttgart. Der bisherige Favre-Assistent Edin Terzić soll bis Jahresende übernehmen.
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel am Samstag wurde Favre nach den Faktoren hinter den technisch-taktischen Details gefragt. „Darüber möchte ich nicht sprechen“, antwortete Favre, räumte aber ein: „Ich bestätige, es hat gefehlt.“ Dieser große Kader bringt seine Potenziale einfach nicht zur Entfaltung. Die Mixtur aus Talent, Erfahrung, Robustheit, technischer Finesse und Mentalität ist in den vergangenen Monaten oft gelobt worden. Aber die Saat ging nicht auf.
Und das war nicht nur ärgerlich, weil so ein 1:5 wie gegen den Aufsteiger aus Stuttgart demütigend ist. Auch drohten die Dortmunder eine seltene Chance zu verpassen: Immer konkreter deutet sich an, dass die Bundesliga eines dieser seltenen Jahre erleben könnte, in denen der FC Bayern nicht die gesamte Konkurrenz in Grund und Boden spielt. Der große Plan des BVB sah vor, in genau solchen Momenten zur Stelle zu sein.
Blutleer im leeren Stadion
Die Symptomatik ging weit über die kleineren Probleme der vergangenen Wochen hinaus. Es war nicht nur der mit sich selbst und seinen Überlegungen zu einem Wechsel nach England beschäftigte Jadon Sancho, der seltsam blutleer spielte. Es waren nicht nur die Teenager, die Fehler machten. Auch Reus, Emre Can, Mats Hummels oder Axel Witsel fanden keinen Ansatz, das schlingernde Projekt auf Kurs zu halten. „Es geht um viele Dinge, es geht natürlich auch um geistige Frische“, überlegte Hummels, „man muss zugeben, dass das nicht einfach ist gerade.“
Aber im Gegensatz zu Bayer Leverkusen, RB Leipzig und dem FC Bayern haben die Dortmunder im Sommer kein Europapokal-Turnier gespielt. Sie müssten eigentlich besser vorbereitet sein auf die Belastungen als die Konkurrenten.
Anfang November wurden die Dortmunder noch für eine neue Stabilität gelobt, nach sechs Spieltagen hatten sie nur zwei Gegentreffer zugelassen, nun wies Hummels darauf hin, dass er die mittlerweile für alle sichtbaren Probleme schon länger wahrnehme. „Oft können wir es irgendwie kaschieren durch individuelle Klasse et cetera“, sagte er. „Heute ging das gnadenlos schief.“ Und wie immer in solchen Fällen schwoll umgehend die Debatte über die Arbeit von Trainer Favre an.
Auch weigerte sich der Schweizer beharrlich, das Sturmjuwel Yossoufa Moukoko in die Startelf zu nominieren, obwohl Erling Haaland verletzt ist. Stattdessen spielten immer wieder Spieler in der Spitze, die sich dort nicht heimisch fühlen, gegen Stuttgart stürmte Reus. Auch nach total missglückten Halbzeiten wie der ersten gegen Stuttgart, an deren Ende es durch viel Glück und ein tolles Tor von Giovanni Reyna 1:1 stand, nahm der Trainer zu oft keine Wechsel vor. Und ein Mensch, der mit seiner Leidenschaft Begeisterung erzeugt, war er auch nicht.
All das ist lange bekannt, aber sie haben lange gehofft, dass der BVB im dritten Jahr unter Favre trotzdem irgendwie in diesen Erfolgsfluss hineingerät, der über längere Zeit eine tragende Leichtigkeit entstehen lässt. Stattdessen stecken sie nun tief in der nächsten Krise.
Fairplay fürs freie Netz
Auf taz.de finden Sie unabhängigen Journalismus – für Politik, Kultur, Gesellschaft und eben auch für den Sport. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Inhalte auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich leisten kann, darf gerne einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hungersnot in Gaza
So schlimm war es noch nie
Deutsche Israel-Politik
130 Diplomaten im Außenministerium fordern härteren Kurs
Frankreich zu Palästinenserstaat
Macron kündigt Anerkennung Palästinas im September an
Ob Männer- oder Frauenfußball
Deutscher Nationalstolz ist immer gefährlich
Rechte Heilpraktiker*innen
In der braunen Ecke der Pseudomedizin
Êzîdische Familie in Irak abgeschoben
Zurück ins Land des Verbrechens