Dopingarzt Fuentes: Kickende Kundschaft
Blut-Doping-Spezialist Eufemiano Fuentes steht vor Gericht. Die Verstrickungen des Profi-Fußballs in dessen Praktiken spielen dabei kaum eine Rolle.
MADRID taz | Wenn am Montagvormittag Eufemiano Fuentes von den Anklagevertretern in die Mangel genommen wird, ist eigentlich nur eine Frage von ganz besonderem Interesse: „Hatten Sie unter Ihren Dopingklienten neben Radsportlern auch Fußballer, Leichtathleten, Tennisstars und Schwimmer?“ 200 Sportler der verschiedensten Disziplinen sollen zu Fuentes’ Kundschaft gehört haben.
„Ich habe Fußballer bei Fuentes gesehen. Ich sage nicht, wie viele. Aber es waren Fußballer, welche aus der Primera Division“, erklärte im September 2006 im französischen Fernsehen der frühere Radprofi Jesus Manzano. Dessen Dopingbeichten nach einem durch Hundeblutbeigabe verursachten Zusammenbruch bei der Tour de France 2002 hatte die „Operacion Puerto“ ins Rollen gebracht.
Fuentes selbst hatte im Juni 2006 in einem viel beachteten Interview mit dem spanischen Radiosender Cadena Ser zugegeben: „Ich habe auch mit Fußballern, Tennisspielern und Leichtathleten gearbeitet. Es sind gar nicht alle Namen bekannt geworden.“
Todesdrohungen gegen den Arzt
Nach Aussagen wie diesen gab Fuentes an, Todesdrohungen erhalten zu haben. Einmal noch, gegenüber dem französischen Journalisten Stéphane Mandard, hatte der Frauenarzt aus Gran Canaria Doping von Fußballern eingestanden. Zwar wurde Mandards Zeitung Le Monde von den betreffenden Klubs später erfolgreich verklagt. In einem ARD-Interview blieb Mandard aber bei seiner Darstellung.
„Ich habe mich mit Fuentes in seinem Büro getroffen. Und er hat mir mehrere Dokumente gezeigt, die auf Spieler von Betis Sevilla, FC Valencia, Real Madrid und FC Barcelona verwiesen: Medikationspläne für eine ganze Saison, da standen keine bestimmten Spielernamen, aber Nummern. Und da stand beispielsweise auch: Saison 2005/2006 FC Barcelona“, sagte Mandard. Die Parallelen zu den Medikationsplänen für Radprofis sich nur zu deutlich. Es geht unter anderem um Wachstumshormone und Epo.
Im Prozessplan sind als Zeugen jedoch nur Radprofis und Mitarbeiter der Guardia Civil sowie verschiedenste Experten vorgesehen. Fußballprofis vermisst man. Das hat seinen Grund. „In den Unterlagen, die mir vorliegen, gibt es nichts, was auf andere Sportler als Radsportler hinweist“, erklärte der Chef der Madrider Provinzstaatsanwaltschaft, Eduardo Esteban. Er verwies zwar auf Blutbeutel, die noch nicht identifiziert seien. Insgesamt 135 Blutbeutel und 71 Beutel mit Blutplasma fand die Guardia Civil in verschiedenen Madrider Domizilen von Fuentes. Weniger als die Hälfte von ihnen wurde den bekannten 58 Radprofis zugeordnet.
Kunden im Spitzensport
Esteban, dessen Untergebene Rosa Calvo die Anklage im Prozess vertritt, versprach immerhin, diesen Aspekt nicht ganz aus den Augen zu verlieren. „Ich denke, alle werden das fragen, die UCI, die Wada, wir als Staatsanwaltschaft, alle. Und wenn Eufemiano Fuentes sagt: dieser Beutel ist für den und den, dann reicht das aus, um später den Sportler zu verurteilen“, versicherte Esteban.
Die Gruppe um Fuentes bediente nachgewiesenermaßen einen großen Teil der Konkurrenz Lance Armstrongs. Unter ihren Kunden waren unter anderem die mehrfachen Podiumseroberer bei der Tour de France, Jan Ullrich, Ivan Basso und Joseba Beloki. Fuentes’ Spezialität waren Bluttransfusionen. Auf diese Technik stieß er in den 80er-Jahren beim italienischen Dopingpapst Francesco Conconi. Das jedenfalls erzählt Manuel Pascua, früher Trainer des jungen Fuentes – und jetzt wegen eigener Dopingaktivitäten Ziel der Dopingermittlung Galgo (zu Deutsch: Windhund) – der taz.
Fuentes verfeinerte diese Dopingpraxis noch mit den Blutgefriermaschinen der Firma Haemonetics. Er wurde damit zur Basisstation für weitere Dopingärzte. Weil es beim Kühlprozess zu Engpässen beim Frostschutzmittel Glycerin gekommen war, hält die Anklage eine Gesundheitsgefährdung der Sportler für wahrscheinlich. Sieht das Gericht es auch so, drohen Fuentes zwei Jahre Gefängnis und ebenso langes Berufsverbot.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?