Donald Trumps Steuerreform: Weniger für Arme, mehr für Reiche
Die Reform des US-Präsidenten bringt Umverteilung von unten nach oben. Liberale wie konservative Experten sind skeptisch.
Die Kosten sind allerdings völlig unklar. Das „Joint Committee on Taxation“ des US-Kongresses ermittelt einen Steuerverlust von rund einer Billion Dollar, der bis zum Jahr 2027 aufläuft. Doch es gibt auch Studien, die ein Steuerloch von mindestens 2,6 Billionen Dollar erwarten.
Die Kostenschätzung ist so schwierig, weil das Steuergesetz durch den Kongress gepeitscht wurde, ohne dass es die üblichen Expertenanhörungen gegeben hätte. Zudem wurden völlig neue Schlupflöcher aufgerissen. Nobelpreisträger Paul Krugman twitterte spaßhaft: „Ich könnte demnächst als Krugmanomics Inc. firmieren.“
Das neue Gesetz senkt nämlich nicht nur den Steuersatz für Unternehmen von 35 auf 20 Prozent – zugleich wird es auch ganz einfach, sich als Firma zu registrieren. Ein Kreuz auf einem Formular genügt.
Ein Geist hat unterzeichnet
Für reiche Privatpersonen wie Manager, Anwälte oder Ärzte wäre es daher attraktiv, sich zum Schein in ein Unternehmen umzuwandeln, warnt der neutrale Thinktank Brookings. Denn der Spitzensteuersatz auf individuelles Einkommen ist weit höher als bei den Firmen und kann bis zu 42,3 Prozent betragen.
Doch nicht nur die Kosten der Steuerreform sind unklar – genauso nebulös sind die wirtschaftlichen Folgen der Steuerreform. Das „Joint Committee on Taxation“ prognostiziert ein zusätzliches Wachstum von 0,8 Prozent bis 2027 – also fast Nichts.
US-Präsident Donald Trump ist hingegen weit optimistischer: Per Tweet verkündete er, dass ein Zusatzplus von „drei bis fünf Prozent“ durch seine Steuerreform entstehen würde.
Diese stolze Zahl hat er aus einem Brief, den angeblich 137 „angesehene“ Ökonomen unterschrieben hätten. Inzwischen hat sich das unabhängige Medienportal Intercept die Unterzeichner genauer angesehen: Es sind viele Lobbyisten darunter – und eine Person existiert wahrscheinlich gar nicht, sondern wurde frei hinzuerfunden. „Ein Geist“, resümiert Intercept.
„Die Mittelschicht wird betrogen“
Der Brief wurde von der konservativen Lobbygruppe RATE Coalition initiiert, die sich für die Steuerreform stark macht. Offenbar hatte RATE Probleme, seriöse Ökonomen zu finden. Denn die meisten Volkswirte lehnen Trumps Steuerreform ab. Eine Umfrage unter 38 berühmten Ökonomen ergab, dass nur ein Einziger glaubte, dass die Steuerreform zu Wachstum führt. Dabei spielte die theoretische Ausrichtung keine Rolle: Liberale und konservative Professoren waren sich in ihrer negativen Einschätzung einig.
Möglicherweise wirkt sich die Reform sogar schlecht auf das Wachstum aus. Wegen des tiefen Lochs im US-Haushalt könnten die Republikaner versucht sein, schnell weitere Kürzungen vorzunehmen – etwa bei Sozialausgaben, Essensmarken für die Ärmsten oder den Zuschüssen für die Gesundheitsvorsorge. Der linksliberale Washingtoner Thinktank Center for Economic and Policy Research mahnt, dass dadurch die Nachfrage sinken könnte, was die Wirtschaft belastet: Hilfen im sozialen Bereich kommen in der Regel direkt dem Konsum zugute. Auch Einkommensschwache kaufen eher statt zu sparen oder gar – wie Reiche – das Geld an die ohnehin aufgeblähten Finanzmärkte zu tragen.
Das ebenfalls linksliberale Washingtoner Institute for Policy Studies hat 92 börsennotierte US-Großunternehmen untersucht, die ohnehin bereits weniger als 20 Prozent Unternehmensteuern zahlen, weil sie Steuerschlupflöcher ausnutzen. Dazu zählen etwa 21st Century Fox, IBM oder ExxonMobil, AT&T oder die Großbank JPMorgan Chase. Das Ergebnis zeigt: Unternehmen schufen keine Arbeitsplätze, sie bauten trotz teils exorbitanter Gewinne sogar im Schnitt Jobs ab. Dafür stiegen die Vorstandsgehälter und die Dividenden für die Aktionäre. „Die Mittelschicht wird betrogen“, lautet das Fazit der Autoren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken