Dokumentarfilm über Paolo Conte im Kino: Die Liebe zu Zitroneneis
Der Dokumentarfilm „Paolo Conte – Via con me“ von Giorgio Verdelli lebt von der Musik und der Gelassenheit seines Protagonisten.
„Ich suche das ganze Jahr den Sommer und mit einem Mal ist er da. Sie ist an den Strand gefahren und ich bin allein hier in der Stadt. Über den Dächern pfeift ein Flugzeug, das wegfliegt.“ Ende der 1960er Jahre beginnt ein Anwalt aus dem Piemont vermehrt, Lieder zu schreiben für andere. Die Musik ist ein Nebenjob, tagsüber geht er weiter ins Büro, vertritt Klienten. Der Name des Anwalts ist Paolo Conte, das Lied heißt „Azzurro“ und der Sänger Adriano Celentano.
Sechs Jahre später beginnt Conte seine eigene Karriere mit dem ersten von zwei Alben, die einfach seinen Namen als Titel tragen. „Wenn ich dieses Leben nicht hätte, würde ich sterben.“ Lakonischer als mit der ersten Textzeile des ersten Albums kann man eine Karriere als Musiker kaum beginnen.
Der Musikdokumentations-Regisseur Giorgio Verdelli hat sich in seinem neuesten Film Paolo Contes angenommen. „Paolo Conte – Via con me“ ist eine Verneigung vor einem der bekanntesten Musiker Italiens. Den Kern bilden ein Gespräch des Regisseurs mit Conte bei diesem zu Hause und unzählige Konzertaufnahmen, dazwischen stellt sich in Gesprächen mit einem Who’s who der italienischen Musik und Kultur der bei Filmen dieser Art unvermeidliche Jahrmarkt der Eitelkeiten ein.
Immerhin: Ein paar der Befragten haben tatsächlich etwas zu sagen – Roberto Benigni etwa, Isabella Rossellini, Francesco De Gregori. Bei den übrigen freut man sich, wann die linkischen Versuche, etwas vom Ruhm auf sich umzulenken, ein Ende haben.
„Paolo Conte – Via con me“. Regie: Giorgio Verdelli. Italien 2020, 100 Min.
Der Film greift Stichworte der kurzen Gespräche mit Wegbegleitern und solchen, die es gern gewesen wären, auf und hangelt sich an ihnen entlang durch Contes Leben als Musiker. Von den Anfängen als Sohn einer musikalischen Anwaltsfamilie beim Posieren als Dixieband zusammen mit dem Bruder und der Jazzphase als Paul Conte Quartett geht es schnell zum Beginn der eigenen Karriere.
Dinge, die ihm am Herzen liegen
In der zweiten Hälfte der 1970er Jahre gewann Conte allmählich an Bekanntheit. „Ich habe angefangen, meine Lieder zu singen, einfach um die Lieder zu verteidigen“, sagt Conte selbst. Im Jahr 1976 wurde er erstmals in den Club Tenco eingeladen, einer Initiative mit einem Festival zur Förderung von Cantautori. In den Erzählungen von Benigni und De Gregori scheint durch, welchen Eindruck Contes uneitle, humorvolle Präsenz hinterlassen hat. Bei dieser Gelegenheit lernen sich Benigni und Conte kennen.
Im Jahr 1979 feiert Conte mit „Gelato al limon“ (Zitroneneis) einen ersten großen Erfolg. Das Lied handelt von einem Mann, der seiner neuen Liebe Dinge zeigt, die ihm am Herzen liegen und hofft, sie möge das teilen. Anfang der 1980er Jahre stellt Conte die Musik zu Benignis Episodenfilm „Tu mi turbi“ zusammen, seine erste musikalische Arbeit fürs Kino.
„Diese unglaubliche Freiheit“
Verdellis „Paolo Conte – Via con me“ hätte leicht ein müder, nostalgischer Rückblick werden können, die Momente sind im Film klar zu erkennen. Doch Paolo Conte und seine Musik, vor allem aber die Gelassenheit auf und jenseits der Bühne bewahren den Film davor, tun mehr als das. „Bei Paolo gibt es diese unglaubliche Freiheit, denn er ist frei von Anmaßung“, sagt Isabella Rossellini.
Das Filmische der Lieder Contes tut ein Übriges: Statt eines Rückblicks lädt Verdellis Film ein zu einer fortwährenden Neuaneignung auch des eventuell Bekannten. Die Sprachbilder Contes, die Charaktere, die er in seinen Liedern skizziert, die groovige Musik, sein Charme tragen den Film.
Paolo Conte wiederum nutzt den Film, um sich vor einem anderen Musiker zu verneigen: vor Enzo Jannacci. Man sollte „Paolo Conte – Via con me“ schon deshalb sehen, weil er einem deutschen Publikum die Welt der italienischen populären Musik seit dem Wirtschaftswunder zu eröffnen vermag.
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