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Doku über ElternMütter kleingehalten

Linda M. wird ihr Kind wegen zu enger Bindung weggenommen. Eine Doku beleuchtet die Struktur dahinter.

Szene aus der Dokumentation von Zeit Online Foto: ZeitOnline

In der Kirche betet Linda M.: „Beschütze meine Tochter, auf dass Gerechtigkeit uns wieder zusammenführt und wir gesund und glücklich leben. Amen.“ Staatliche Institutionen haben ihr die Tochter weggenommen, wegen einer „zu engen Mutter-Kind-Beziehung“ – festgestellt durch ein psychologisches Gutachten. Ist das wissenschaftlich fundiert? Dieser Frage geht die Journalistin Poliana Baumgarten in ihrer Doku „Sie nahmen mir meine Tochter“ nach.

Laut dem Soziologen Wolfgang Hammer beruht die Diagnose eines „PAS“ (Parental Alienation Syndrome) auf unseriösem Fundament. Linda M. und ihre Tochter sind Opfer dieser pseudowissenschaftlichen Theorie. Und obwohl der Vater gewalttätig ist, wird das Kind zu ihm gebracht. Die symbiotische Mutter-Kind-Beziehung würde das Verhältnis zum Vater sabotieren, so die Düsseldorfer Ämter.

Hammers Studie aus 2022 belegt, dass Gerichte und Institutionen mit dieser Argumentation Kinder gefährden statt schützen. Die Geschichte von Linda M. ist kein Einzelfall, viele Mütter sind betroffen. Als kleines Kind wurde M. ebenfalls ihrer Mutter entzogen und im Kinderheim aufgezogen, in dem ihre Tochter Jahre ihrer Kindheit verbracht hat.

Laut Hammer stecke hinter diesen psychologischen Gutachten eine ganze Industrie. Denn solche Gutachten können bis zu 12.000 Euro kosten. Diese würden immer repetitive und „sektenartige“ Anschuldigungen auf nicht wissenschaftlicher Basis reproduzieren. Die Rechtsprechung hätte Begriffe wie Bindungstoleranz geschaffen, die in der Entwicklungspsychologie keine Beachtung fänden.

Welches perfide System staatliche Institutionen entwickelt haben, beleuchtet die Doku von Zeit Online. Immer wieder wird verdeutlicht, wie allein M. in ihrem Kampf gegen die Strukturen ist. Denn wie diese durchbrochen werden können, darauf hat die Doku auch keine Antwort. Aber der Film gibt den hoffnungslosen Frauen eine Stimme.

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Themen #Eltern
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13 Kommentare

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  • Soweit ich es verstehe, bedeutet "Parental alienation syndrome", daß ein Elternteil auf das Kind einwirkt, um es von dem anderen Elternteil zu entfremden. Das wiederum spiegelt sich im Verhalten des Kindes wieder.

    Ob dies im Einzelfall wirklich der Fall ist, müssen dann wohl die Familiengerichte entscheiden, eventuell auch ohne den Ausdruck "PAS" zu gebrauchen.

  • "Hammers Studie aus 2022 belegt dass Gerichte und Institutionen mit dieser Argumentation Kinder gefährden statt schützen." (V. Mirzai)

    Der Begriff Studie hört sich ziemlich wissenschaftlich an.

    Aber: "Der Autor selbst beschreibt seine Untersuchung nicht als „Studie“ und als solche darf sie angesichts der viel zu schmalen Datenbasis auch nicht missverstanden werden." (Quelle: siehe Link)

    www.lifepr.de/inak...nicht/boxid/895440

  • Ich lebe zum Glück nicht in einer Situation in der die angesprochene Problematik ein Rolle spielen würde. Das alles könnte mir komlett egal sein.



    Wenn ich aber Formulierungen lese wie: "Laut Hammer stecke hinter diesen psychologischen Gutachten eine ganze Industrie", dann fühle ich mich schon arg an Verschwörungserzählungen erinnert und suche lieber mal nach weiteren Quellen, um da mehr Licht ins Dunkel bringen zu können. Und die gibt es ja auch:

    www.lifepr.de/inak...nicht/boxid/895440

    Aha! - Und wie verhält es sich nun mit diesem Parental Anlienation Syndrom, dessen Existenz Hammer bestreitet:

    www.aerzteblatt.de...ntalisieren-lassen

    Bei der Gratwanderung zwischen Journalismus und Aktivismus geht mir - für meinen Geschmack - zu oft die Objektivität den Bach hinunter. Man sollte sich wirklich davor hüten sich instrumentalisieren zu lassen.

    • @LittleRedRooster:

      Ich finde beide genannten Quellen alles andere als überzeugend und rate interessierten dringend zu einer eigenen quellenkritischen Recherche, im Idealfall in den entsprechenden Literaturdatenbanken. Auch ich bin nicht immer zufrieden damit, wie die Gratwanderung zwischen Journalismus und Aktivismus gelingt. Auch die "Hammer-Studie" liefert ja keinen überzeugenden wissenschaftlichen Beleg gegen PAS - das ist ja auch nicht das Ziel der Forschung. Die hier angeführten Links sind aber auch nicht besser.

    • @LittleRedRooster:

      Naja, hinter dem von Ihnen verlinkten Artikel steht www.neuerichter.de und der Artikel aus dem Ärzteblatt ist von 2003 und wurde von einem Psychotherapeuten verfasst, der auch Bücher zu Ufos und Schamanismus veröffentlicht hat. Da wäre ich dann eher vorsichtig, wenn ich einem anderen "Verschwörungserzählungen" unterstelle. Objektiv scheint das gerade nicht.

      • @Niemals:

        " hinter dem von Ihnen verlinkten Artikel steht www.neuerichter.de" (Niemals)



        Ja, und? Ist er deswegen unglaubwürdig oder überhaupt in Gänze Pfui-Bäh? Erledigt sich der Inhalt von selbst? Ein Inhalt der die ominöse Hammer-"Studie" wenigstens auch mal quantifiziert:



        "Es werden 92 Sorge- und Umgangsverfahren ausgewertet, die in den letzten etwa 20 Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder dem Bundesgerichtshof ihren Abschluss gefunden haben. Bei jährlich etwa 150.000 Verfahren vor deutschen Familiengerichten, ist das nicht einmal ein minimaler Ausschnitt."



        So etwas als "Studie" zu verkaufen wäre tatsächlich eine Zumutung für eine kritische Leserschaft! Zumindest wenn diese es bemerkt.



        Und: Was soll der Untergriff in Bezug des Autors des 2. Links? Was hat das mit diesem Thema zu tun? Was schreibt er denn zu Themen wie Schamanismus - wenn Sie es schon für wichtig halten dies zu erwähnen? Darf man sich mit transkulturellen Themen nicht kritisch analytisch auseinander setzen ohne... ja, was denn eigentlich? Was hat er denn dazu geschrieben?



        Und - Sorry - wenn man hinter "psychologischen Gutachten" gleich "eine ganze Industrie" wähnt, dann bedient man sich tatsächlich eines typisch verschwörungsmythologischen Musters. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

        • @LittleRedRooster:

          Herzlichen Dank für diese ganz andere Sichtweise der Dinge. Vielleicht bin ich da doch etwas zu naiv an das Ganze herangegangen.

          Es scheint, das bei wirklich jedem Thema man ganz genau recherchieren muss, um sich ein Bild zu machen.



          Dies finde ich eigentlich schade, weil genau dies war früher Teil der Augabe des Journalismus.



          Entsprechend bin ich etwas zwiegespalten: sehr gut finde ich weiterhin, dass die taz viele Themen thematisiert, von denen man ansonsten nirgendwo etwas lesen könnte

  • Die Rechtsanwältinnen Christina Clemm und Asha Hedayati verweisen in ihren Publikationen auf institutionalisierte Frauenfeindlichkeit in Gewalt- und damit verbundenen Sorgerechtsstreitigkeiten.

    Mächtig beliebt war das Parental Alienation Syndrome (PAS) - als würde sich ein aktiver Elternteil, der verantwortungsvoll am Familienleben teil- und auch regelmäßige Aufgaben übernimmt, einfach verdrängen lassen. Und als wäre das wünschenswert. (Wer steht nicht gern allein mit Kindern, Job und allen Ausgaben da?)

  • mich hat schon vor ca. 50 jahren gewundert, wie psychologische gutachten für gerichte zustande kommen. ich war mal damit beauftragt, ein solches - wissenschaftlich fundiert- zu zerpflücken.



    ging ganz einfach: mit wissenschaft hatte das vorliegende gutachten 0,0 zu tun. aber der gutachter war ein psychiater, der es sich leisten konnte, völligen unsinn von sich zu geben. von wissenschaftlicher fundierung eines gutachtens hat der noch nie was gehört.



    entsprechend sah sein gutachten aus.

    wie werden eigentlich gutachterInnenbestellt? wer bestimmt darüber? welchen kriterien (wissenschaftlichen vor allem) müssen sie genügen? hier ist mit sicherheit dem betrug tür + tor weit geöffnet.

  • Ich kenne die Situation Umgangsentzug aus einer anderen Perspektive: grundloser Abbruch des (bis dahin paritätischen) Umgangs zu meinem Kind durch die Mutter, welche im Folgenden ein halbes Jahr lang Kommunikation / Schlichtung über das Jugendamt verweigerte. Dieses Verhalten ist vor Gericht problemlos durchgegangen. Nach einem Jahr intensiver Gespräche mit dem Jugendamt habe ich dann mein Kind wieder sehen dürfen. Das war leider ein Vollversagen der (teilweise gutmeinenden, aber nicht konsequent handelnden) Behörden. Dies ist soweit ich das nachvollziehen kann kein Einzelfall in Deutschland.

    Es gibt viele Fälle bei denen ein Elternteil dem anderen aus guten, das Kindeswohl betreffenden, Gründen der Umgang mit dem gemeinsamen Kind verweigert. Ob dies gerechtfertigt ist lässt sich aber nicht durch das jeweilige (soziale) Geschlecht des Elternteile bestimmen.

    Ich würde mich über sachliche, unparteiische Berichte zum Thema in der taz sehr freuen.

  • Mein Sohn ist 23. Er ist in Therapie weil er nicht ins Leben findet - er ist ein mustergültiger Fall Von PAS! Ich habe sieben Prozesse für einen regelmäßigen Umgang geführt - seine Mutter hat das alles immer wieder torpediert - ich bin vor Gericht nicht durchgedrungen, obwohl ich genau das vorhergesehen habe was letztlich passiert ist! Ihm wurde der Vater entzogen und er wurde in eine symbiotische Beziehung zu seiner Mutter genötigt! Es ist erschreckend immer wieder zu sehen, daß je nach politischer Ausrichtung, jeder nur immer die Beispiele anführt, die der Glabensrichtung entspricht! Mal den Film „Entsorgte Väter“ googeln! Ist natürlich eine Seite der gesellschafftlichen Entwicklung, die nicht ins feministische Portfolio paßt!

  • Hammer hat nit eine Studie erstellt. Reiht euch nicht in die Reihen derer ein, die seine wahllose Sammlung von Urteilen über mehrere Jahrzehnte als Studie bezeichnen.



    Eine Studie mus wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und ergebnisoffen sein. Hammer hat nur Kampagnenmaterial gesammelt, um eben das zu tun: Eine Kampagne zu starten.

  • Vielen Dank, dass hierauf aufmerksam gemacht wird - das ist ja Wahnsinn!

    Gibt es da denn wirklich keine Ansprechpartner? ZB von wissenschaftlicher Seite Psychologische Fachverbände?