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Doku „Master of the universe“Der letzte Mensch

Rainer Voss war Investmentbanker, bis „die Organisation“ ihn rauswarf. Arte zeigt seine Abrechnung mit der Finanzwelt. Es ist ein Propagandafilm.

Rainer Voss erklärt, erläutert, veranschaulicht, packt aus. Und schwadroniert. Bild: HR/bauderfilm

„Nicht den kleinsten Anschein des Zweifels erwecken oder auch nur andeutungsweise formulieren, dass es ein paar Sachen gibt, die man anders machen könnte/sollte. Politische Äußerungen - bloß nicht. Bedingungslose Loyalität gegenüber der Organisation. Sie müssen bereit sein, Ihr Leben aufzugeben."

Die Rede ist nicht vom Eintritt in den BND, die Mafia, den Vatikan oder Scientology. Die Rede ist von irgendeiner deutschen Großbank. Der da redet, ist Rainer Voss, ehemaliger Investmentbanker, für den in „der Organisation" irgendwann kein Platz mehr war. Er ist die einzige Person in Marc Bauders Dokumentarfilm „Master of the Universe" - dem eigentlichen Filmtitel hat Arte unnötigerweise „Der Banker" vorangestellt.

Der Banker erzählt also aus einem geschlossenen System. Der Insider, Aussteiger, Kronzeuge erklärt, erläutert, veranschaulicht, packt aus. Und schwadroniert. Entmystifiziert und mystifiziert. Er wisse gar „nicht bis in die letzte Verästelung hinein, wie diese Industrie funktioniert. - Das weiß niemand."

Viel Platz für Stereotype

Voss hat vorher mit seinem Anwalt gesprochen, er darf keine Personen nennen und keine Geschäftsgeheimnisse verraten. Das ist so plausibel wie problematisch. Die Türen, die Voss öffnet, führen in einen faszinierenden Raum - in dem auch Platz ist für Stereotype. In dem viel behauptet und nichts belegt wird: „Da sind solche Geldsummen unterwegs, mit denen man inzwischen auch Länder angreifen kann. Man fängt mit dem kleinsten Land an - Griechenland."

Kein Off-Kommentar, der Rainer Voss und das, was er sagt, einordnet. Niemand, der dem Banker etwas entgegensetzt. Der Film ist ein Dokumentarfilm, keine Dokumentation. Genial die Bildgestaltung von Börres Weiffenbach. Ähnlich aufwändig und elegant und manipulativ gefilmt haben zuvor nur Carmen Losmann und Dirk Lütter aus der Welt des Personalmanagements erzählt, in „Work hard - Play hard".

Beklemmende Totalen, suggestive Zooms, elegische Schwenks durch einen sechs Jahre leerstehenden Frankfurter Hochhausturm. Kabelberge, gläserne Fahrstühle, verlassene Konferenzräume. Der Banker der einzige, der letzte Mensch in einem postapokalyptischen Setting.

Die Doku

„Der Banker – Master of the Universe“, Dienstag, 17. Juni, Arte, 22:55 Uhr.

Marc Bauders Film ist, natürlich, ein Propagandafilm.

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5 Kommentare

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  • Die Dokumentation über Herrn Voss ist m.E. sehr gut gelungen, weil sie vorbehaltlos einen Insider zu Wort kommen läßt, der sich nicht scheut, die äußerst fragwürdigen Machenschaften der Finanzwelt beim Namen zu nennen. Als besonders bemerkenswert erscheint mir, dass er deutlich darauf hinweist, dass interessierte Kreise an der Zerstörung des Euro arbeiten. Wo diese Kreise zu suchen sind, liegt für mich auf der Hand: jenseits des Atlantik und dort bei Skull and Bones. Dieser ehrenwerte Sauhaufen verfügt über die finanziellen Mittel, jeden Staat der Erde an die Wand zu fahren. Wie das geht haben wir am Beispiel Griechenlands erleben können. Beteiligt war federführend Morgan Stanley und Beteiligter war ein gewisser Draghi, welcher jetzt in der EZB sitzt. Wurde wieder einmal der Bock zum Gärtner gemacht???

  • Ich empfand es als angenehm, dass die Aussagen des Herrn Voss für sich standen und kein Sprecher aus dem Off sie einordnet. Das kann ich selber und gar so stereotyp waren die Aussagen nicht. Teile des Systems, einzelne Produkte, sind laut Voss sinnvoll - wenn sie richtig angewendet werden. Das ist seine Meinung und die kann durchaus im Raum stehen. Es gab im Film ja auch passende Einspieler von Nachrichtensendungen etc., die weitere Infos zu genannten Ereignissen geliefert haben.

     

    Ich kann mir vorstellen wie schwer es ist, seinen Werten treu zu bleiben, wenn die Bank andere Ziele verfolgt. Aber es gibt ja auch Banken, die gezielt in ökologische und soziale Projekte investieren, kein Geld für Atomwirtschaft, Rüstung und dergleichen, siehe http://www.der-freigeber.de/gute-banken/

  • "Da sind solche Geldsummen unterwegs, mit denen man inzwischen auch Länder angreifen kann. Man fängt mit dem kleinsten Land an - ..."

     

    z.B. Argentinien: wie heute zu lesen ist durch übles Spiel von Hedgefonds vor dem Kollaps:

     

    http://taz.de/Argentinien-verliert-vor-US-Gericht/!140555/

  • Wer als kleines Rädchen, und mit dem Anspruch, anständig zu bleiben, für eine Bank arbeitet und miterlebt, was für Charaktäre mit was für Methoden sich auf der Überholspur nach 'Oben' bewegen, den wundert nicht, was an Skandalen da so ab und zu nach Aussen schwappt.

    • @Vidocq:

      'anständig bleiben' dürfte in jeder Branche hehres und schweres spirituelles Ziel bleiben ... in Bank und Politik aber ist man fast schon qua Amt auf der Gegenseite.