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Diversität im FernsehenVon Netflix lernen

In der deutschen Fernsehlandschaft wird immer noch sehr männlich gedacht. Beim Streamingdienst Netflix sind sie da schon weiter.

Es scheinen Lichtjahre zwischen der Netflix-Realität und dem bundesdeutschen Ist-Zustand zu liegen Foto: Joko/imago

W ir schreiben das Jahr 2031. Als sich neulich die Mitarbeitendengruppe black@zdf traf, um über die Vorschläge von trans@ard für mehr Diversität in der Studioküche zu beraten, ging es hoch her. women@rtl wies unermüdlich darauf hin, dass die zum selben Konzern gehörende Produktionsfirma UFA ja schon deutlich früher in die Alte-weiße-Männer-Suppe gespuckt hatte.

Aber bis solche Gruppen in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft eine Selbstverständlichkeit sind, dauert es noch ein paar Jährchen. Anders bei Netflix. Denn hier sind sie nicht nur da, sondern setzen konkrete Konzepte in die Realität um. Es scheinen Lichtjahre zwischen der Netflix-Realität und dem bundesdeutschen Ist-Zustand zu liegen. Das zeigte sich auch bei der Diskussion „A path forward – Wie Genderbalance und Vielfalt im Film Hand in Hand gelingen“, zu der der Bundesverband Schauspiel am Dienstag nach Berlin geladen hatte.

Vor vier Jahren rüttelte die MaLisa-Stiftung mit ihrer Studie zu Diversität im deutschen Fernsehen die Branche auf. Bei der Studienpräsentation im Sommer 2017 saßen die Sendergewaltigen aller großen Gruppen von ARD und RTL bis zu ProSiebenSat.1 und ZDF auf dem Podium und gelobten so was von Besserung. Seitdem passiert ist … ahem.

Nein, schon gut. Passiert ist ein bisschen. Jedenfalls viel zu wenig. Bei der ARD-Filmschmiede Degeto gibt es einen Leitfaden für mehr Diversität in ihren Produktionen. Erfreut sich allerdings nicht durchgehender Beliebtheit. Bei der UFA gibt es seit 2020 eine Selbstverpflichtung und einen Diversitätsplan. UFA-Fiction-Produzentin Nataly Kudiabor sagte in Berlin, bis 2024 soll dann das Gesamtportfolio der Gruppe die Gesellschaft abbilden, ohne dass die Kreativität darunter leidet. Oder die Männer, müsste noch hinzugefügt werden. Denn viel zu viel dauert viel zu lange, weil an den Schaltstellen immer noch sehr männlich gedacht und vor allem gemacht wird. „Schade eigentlich, dass die Männer sich nicht selbst anbieten, ein für alle passendes Konzept umzusetzen. Bliebt wohl wieder an den Frauen hängen!“, ergänzt die Mitbewohnerin.

Netflix Deutschland kann gar nicht anders. Hier werden die Bereiche Serie, Film und Non-Fiction zum Glück von Frauen verantwortet. Also das komplette Besteck. International hat der Streamingdienst sein Diversity Management gleich bei den Chef­kö­chen*­in­nen verankert. Dieses Jahr gibt es außerdem den ersten Inklusionsbericht, weil Diversität über Genderfragen hinausgeht. Dahinter steht nicht nur der Wunsch nach einer gerechteren Abbildung der Gesellschaft, wie Netflix-Deutschland-Filmchefin Sasha Bühler auf dem Weg nach vorn unumwunden zugab, sondern die sehr amerikanische Erkenntnis: Diversity sells. Es soll schließlich allen schmecken.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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3 Kommentare

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  • DARUM gehts!



    „Es ist ein dramatisches Problem, dass wir an den Unis einen so geringen Anteil von Studenten haben, die aus Nichtakademikerfamilien stammen“,

    Im Rahmen einer internen Erhebung hatten Wulff und seine Kollegen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel festgestellt, dass der entsprechende Anteil sich lediglich auf 4 Prozent belief. Dass Medienschaffende aus ähnlichen Milieus kommen, verstärkt ein System von Ungleichheit: In der eigenen Arbeit werde dann auf das zurückgegriffen, was man sowieso im Kopf hätte, sagt Wulff. Wer aus einem bürgerlichen Milieu kommt, wird beim Drehbuchschreiben vielleicht auch eher auf dieses Milieu zurückgreifen.

    Nicht nur Wulff sieht die fiktionale Primetime dominiert von bürgerlichen, „ja geradezu bourgeoisen“ Standardexistenzen. „Es ist wichtig, dass wir nicht nur die Welt der Architekten, Akademiker und Ärzte abbilden, sondern die gesamte gesellschaftliche Wirklichkeit abbilden, mit allen Ängsten und Herausforderungen der Gegenwart“,

  • Schon klar, ARD und ZDF müssen unbedingt gecoacht werden von Netflix (notfalls auch erst einmal von Steffen Grimberg). Damit sie lernen, dass sie noch viel mehr Kohle machen und viel mehr Einfluss haben können, wenn sie Menschen jeglicher Hautfarbe, jeglichen Geschlechts und jeder Herkunft unter ihre Fuchtel nehmen, ausbeuten und bevormunden.







    Wobei - vermutlich wissen sie das längst. Sie haben bloß Angst, ihr rapide alterndes Publikum zu verschrecken, wenn sie ein Netflix ähnelndes Programm machen und etwa Serien oder Kinofilme in Dauerschleife laufen lassen, die genau das Weltbild zementieren, das dazu geführt hat, dass die Realität nur noch im Suff zu ertragen ist - oder halt vor der Glotze.

  • Netflix und auch einige US-PAY TV Sender haben es verstanden und trauen sich ungewöhnliche Serien, die auch mal Genres vermischen. Die meisten Serien egal aus welchem Land. sind doch Schema F.