piwik no script img

Diskussion um Sawsan Chebli und die UhrImmer wieder reduziert

Auf Facebook ist ein Foto der Staatssekretärin aufgetaucht. Die Aufnahme datiert aus dem Jahr 2014, sie zeigt die Politikerin mit einer Rolex. Ein Wochenkommentar

Sawsan Chebli spricht während einer PK zur Verleihung des #Farbenbekennen-Award Foto: dpa

Auf Facebook ist diese Woche ein Foto der Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli aufgetaucht. Die Aufnahme datiert aus dem Jahr 2014, sie zeigt die SPD-Politikerin mit einer etwa 7.500 Euro teuren Rolex-Uhr am Handgelenk. Zunächst diskutierte die geneigte Öffentlichkeit nun die Frage: Ist frau noch glaubwürdig als Sozialdemokratin, wenn sie die Insignien der oberen Zehntausend spazieren trägt (wobei die Rolex dafür nicht mal taugt)?

Gegenfrage: Darf man Austern schlürfen und trotzdem für den Mindestlohn sein? Und kann man nur im Kapuzenpulli gegen Nazis demonstrieren gehen oder ginge das zur Not auch im Maßanzug?

Eben. Natürlich ist es arg kurz gesprungen, die innere Einstellung an Äußerlichkeiten festzumachen. Mal davon abgesehen, dass Luxus immer relativ ist. Wäre eine Aufnahme, auf der Chebli teure Muscheln isst, meinetwegen mit einer Uhr von Casio am Handgelenk, noch okay gegangen? Und wenn Sozialdemokratinnen Austern essen dürfen, gilt das dann auch für Linke oder liegt die „Luxus-Schwelle“ da tiefer, vielleicht bei Miesmuscheln?

Nachdem Cheblis Facebook-Seite in Folge des Rolex-„Skandals“ mit rechten Hassbotschaften gegen sie geflutet wurde, deaktivierte die 40-Jährige am Dienstag kurzerhand ihren Account. Es sei inzwischen völlig egal, was sie dort poste, erklärte Chebli, sie werde so oder so niedergemacht. Schon vor einem Jahr wurde sie ähnlich angefeindet, als sie einem Ex-Botschafter auf Twitter Sexismus vorgeworfen hatte, weil er sie am Rande einer Diskussion als jung und schön bezeichnet hatte. Chebli wurde daraufhin unisono von Anti-FeministInnen wie Nazis angegangen.

Schon vor einem Jahr wurde sie ähnlich angefeindet

Chebli ist eine Frau, sie sieht gut aus, sie hat offensichtlich einen Migrationshintergrund. Ihre Eltern waren staatenlose Flüchtlinge aus Palästina. Sie hat es auf einen Posten in die Senatskanzlei geschafft – trotz, ja: trotz alledem. Denn, das ist die bittere Erkenntnis aus den wiederkehrenden Debatten um ihre Person – Geschlecht, Aussehen und Herkunft, das ist es, worauf eine wie Chebli immer wieder reduziert wird. Selbst die für ihre stocksteife Seriosität bekannte Nachrichtenagentur dpa schrieb süffisant: „Zuletzt war Chebli statt mit Rolex mit einer Cartier-Uhr zu sehen.“

Eine Frau mit Migrationshintergrund kann 2018 zwar Staatssekretärin in der Senatskanzlei werden und genug Geld für eine Rolex-Uhr verdienen. Ob das auch gesellschaftlich akzeptiert ist, ist eine andere Frage. Aber es ist die entscheidende.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Ich werfe der guten Frau im Bezug auf ihren Uhrengeschmack eigentlich nichts vor und stimme dem Artikel vom Grundsatz her durchaus zu.

    Ich mag Austern, wenngleich ich es mir selten leisten kann welche zu essen. Es wäre ausserdem wünschenswert wenn mehr Anzugsträger gegen Nazis auf die Straße gehen würden.

    Links kann man auch als Rolexträgerin sein. Leider ist die SPD halt nicht links und die Tendenz geht seit Schröder nur in eine Richtung.

    Da war zum Beispiel ein Peer Steinbrück: "Eine Erhöhung um acht oder zehn Euro hat den Gegenwert von zwei Schachteln Zigaretten oder zwei großen Pils. Ich fürchte, das Geld kommt bei den Kindern in vielen Fällen nicht an"

    Eine Rolex, Schröders Zigarren, maßgeschneiderte Anzüge; das wäre an sich nicht das Problem, wenn das Klischee dazu nicht auch zur heutigen SPD-Politik passen würde.

  • Ich habe Schröder spätestens seit seiner Teilnahme am Opernball für einen kleinen, miesen Aufsteiger gehalten, der nicht wusste, wo sein Platz ist. Und ich werde das auch bei einer Frau mit Migrationshintergrund tun, alles andere wäre rassistisch.

    Jeder hat irgendeine Macke, wo er Luxus haben möchte, das ist nicht weiter schlimm. Manche Sachen sind nur mal "leider geil". (Ich bin stolz auf mich, dass meine letzte Gänseleberpastete schon über drei Jahre zurückliegt. Neben Luxus- kommen bei solchen Neigungen auch noch Tierrechtsprobleme hinzu, weshalb ich mein Luxusfressen, was meine Macke ist, versuche weitestgehend zumindest tierrechtskonform zu gestalten.Ich halte mich also nicht für was besseres.)

    Allerdings störte und stört mich überhaupt nicht der miserable Geschmack dieses Lumpenproletariats, ihr Emporkommen durch relativ plumpe Luxusartikel dermaßen in der Öffentlichkeit zu zeigen (mitsamt dem Hinweis, dass sie ja von ganz unten, aus der allertiefsten Gosse kommen), sondern, dass sie auf alle drauftreten, die zu anständig sind, sich von vermeintlichen Statussymbolen blenden zu lassen und ihr eigenes Leben wollen und sich dabei auch auf die sozialen Funktionen dieses Staates verlassen haben, die Schröder zerstört hat. Insofern können Wagenknecht und Ernst Hummer in Massen essen und von mir aus mit Maybachs durch die Gegend brausen.



    Wenn Chebli dann schreibt, dass Schröder ihr Held sei, dann wird sie genauso behandelt, wenn sie auch noch so blöd dabei ist und diese Angriffsfläche öffentlich bietet.

  • 7G
    75064 (Profil gelöscht)

    Ein kluger Artikel, dessen Tenor von einigen meiner Mitkommentatoren umgehend bestätigt wird. Das Tragen einer Rolex ist für mich allenfalls eine extreme Form von fashion crime aber jedenfalls kein Verrat an der Sozialdemokratie. Letzterer wird von den Politikerkollegen der Frau Chebli (und vielleicht - unabhängig von ihrem Uhrengeschmack - auch von ihr selbst) durch die unsägliche, teils menschenverachtende Asozialpolitik der letzten zwei Jahrzehnte betrieben. Die Reduktion der Glaubwürdigkeit von Frau Chebli auf ihre Uhr hingegen legt den Verdacht nahe, dass es hier eher um persönliche Diffamierungen als um politische Auseinandersetzung geht.

    • @75064 (Profil gelöscht):

      "Die Reduktion der Glaubwürdigkeit von Frau Chebli auf ihre Uhr hingegen legt den Verdacht nahe, dass es hier eher um persönliche Diffamierungen als um politische Auseinandersetzung geht."

      So sehe ich das auch. Die von Chebli getragene Rolex ist möglicherweise eher ein Zeichen des schlechten Geschmacks. Typisch für Parvenüs, dass für sie teuer = gut ist.



      Frau Chebli könnte auch in der CDU oder FDP sein, vielleicht auch bei den Grünen. Sie ist wie Schröder oder die schwarze Null Scholz, Steinmeier oder die Seeheimer Mitglied der SPD ohne Sozialdemokratin zu sein. Eigentlich nichts Neues. Aber wer soll die noch wählen?

  • Und: Vielleicht war Wehner ein Gourmet?

  • Das traurige an der Angelegenheit ist doch der Verdacht, dass "soziale Gerechtigkeit", "christliche Werte", "Frieden", "Freiheit", "Umweltschutz" etc. etc. letztlich nur Geschäftsmodelle von ICH-AG's sind.

  • Die Rolex ist meiner Ansicht nach ein besonders plumpes/offensichtliches Luxus-Statussymbol. Und deshalb wohl das Problem. Das private Luxusschwelgen eines Gerhards war/ist einfach nicht so unmittelbar öffentlichkeitswirksam.

  • Was wohl Herbert Wehner (SPD, MdB 1949 - 82) zu “Rolex Sawsan“, “Porsche Klaus“ und “Brioni Gerhard“ (“Genosse der Bosse“) sagen würde? Wehner hatte sich sogar das Geld für die Bonner Bundestagskantine gespart und sein “Butterbrot“ lieber im Plenarsaal gegessen – trotz regelmäßiger Einladungen seinen Kollegen.



    Nein, Wehners Bescheidenheit soll nicht als Maßstab für andere dienen; und man muss auch nicht selber arm sein, um als PolitikerIn Politik für den ärmeren Teil der Bevölkerung zu machen und dessen Interessen zu vertreten. Für mich stellt sich aber dennoch die Frage: Sind solche GenossInnen – mit ihrem Statusgehabe - noch glaubwürdig oder haben sie schon längst die “Bodenhaftung“ verloren.

    • @Thomas Brunst:

      Wieso Bescheidenheit? Vielleich hat seine Fraus was Besseres auf den Tisch gebracht und die Stullen waren mit Liebe gemacht. Mein Mann ißt auch lieber seine Stullen von zu Hause als irgendwo essen zu gehen. Denn zu Hause schmeckt es besser.

      • @Lucie Englisch:

        Soweit hatte ich gar nicht gedacht. Mir ging es einfach nur darum, in diesem Zusammenhang (nenne es mal politische “Luxus-Probleme“), an die Bescheidenheit des Genossen Wehners zu erinnern.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...vielleicht sollte Sawsan Chebli zur FDP wechseln?!

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @81331 (Profil gelöscht):

      Weil nur die FDP ein sicherer Hafen für Bildungsaufsteiger*innen ist? Sie könnte auch zu den Grünen wechseln, die nehmen gute Leute immer gerne. Aber es kommt ja keine Kritik aus der SPD. Also muss sie gar nicht wechseln, sondern einfach das machen, was sie richtig findet.

  • 9G
    99960 (Profil gelöscht)

    Am entscheidensten ist, was ein Politiker leistet, nicht was er sich leistet. Vielleicht empfinden die Leute hier ein Mißverhältnis und hängen sich deshalb an dem Symbol Rolex auf, vielleicht sind es auch einfach nur Rassisten, wie es in dem Artikel anklingt.

    • @99960 (Profil gelöscht):

      Und Ihr Kommunikationsstil trägt zur sachlichen Diskussion bei? Oder, wie leider dem Zeitgeist entsprechend, der "Radikalisierung" und "Verunglimpfung".