Diskussion über geöffnete Schulen: Bloß nicht wieder alle vors Tablet

Die Schulen laufen im sogenannten Regelbetrieb. Jetzt gibt es Forderungen, auch wieder auf Homeschooling umzuschalten. Über das Für und Wider.

In einer Grundschule in Kreuzberg wird mit einem Schild mit der Aufschrift „In der Schule bitte Mund-Nasen-Schutz tragen“ auf die Hygieneregeln hingewiesen

Immer schön Maske tragen: Hinweis in einer Grundschule in Kreuzberg Foto: picture alliance/Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Es sind beunruhigende Tage. Den Infektionszahlen beim täglichen Wachsen zuzusehen ist beängstigend. Für die LehrerInnen und ErzieherInnen in den Schulen und Kitas gilt das noch viel mehr, denn es sind die Kitas und Schulen, die geöffnet bleiben. Unter den Schulleitungen in Berlin wird nun der Ruf nach einer Rückkehr in den Wechselbetrieb lauter – also zurück ins Homeschooling, im Wechsel mit Unterricht in der Schule. So könnte man die Klassen halbieren und die Abstandsregeln einhalten.

Für die Kitas fordert die Gewerkschaft GEW einen verbindlichen „Stufenplan“, damit Kitaleitungen bei Quarantänemaßnahmen und Schließungen gegenüber den Eltern besser argumentieren können.

„Unsere Lehrkräfte fühlen sich angesichts der voll besetzten Klassen wie Kanonenfutter“, hat ein Schulleiter der taz diese Woche gesagt, und ist da ganz auf Linie der Gewerkschaft: „Die Beschäftigten in den Schulen haben den Eindruck, dass Infektionen an den Schulen billigend in Kauf genommen werden“, schreibt diese – und schürt bei Eltern die Angst vor einem zweiten „kompletten Lockdown“, wenn man jetzt nicht handele.

Dass die Gewerkschaft Lobbyarbeit für ihre Mitglieder macht, ist nachvollziehbar. Wobei die Argumentation nicht immer stringent ist: Im Fall der Kitas kritisiert die GEW, dass Kitaleitungen allein über Quarantäne entscheiden müssten, ein Stufenplan soll her, analog zu dem, der in den Schulen gilt. In den Schulen hält man genau den für hinderlich, da findet man eine pauschale Regelung besser.

Gerade mal rund 3 Prozent

Ob die aber wirklich angezeigt ist? Bei aller verständlichen Besorgnis derzeit: Obwohl die Schulen seit Anfang August im regulären Betrieb sind und die zweite Welle schon eine Weile rollt – es sind gerade mal rund 3 Prozent der SchülerInnen an allgemeinbildenden Schulen derzeit in Quarantäne, nur 0,2 Prozent waren nach den letzten Zahlen der Bildungsverwaltung positiv getestet.

Es spricht also einiges dafür, dass man bei der Taktik bleibt, nur betroffene Lerngruppen in Quarantäne zu schicken: Gerade in den Schulen kann man Infek­tions­ketten gut rückverfolgen – wer mit wem wie lange zusammensaß, ist qua Stundenplan definiert. Warum also pauschal 331.000 SchülerInnen wieder zu Hause vors Tablet setzen (und sei es für die Hälfte der wöchentlichen Stundenzahl, das ist schon viel), wenn in manchen Bezirken wie in Pankow noch vergangene Woche nur drei Lerngruppen überhaupt wegen Covid-19 in Quarantäne waren?

Homeschooling, das ist oft genug wiederholt worden im Frühjahr, benachteiligt in aller Regel Kinder ohne Ressourcen zu Hause – und da geht es nicht nur um internetfähige Tablets. Da geht es auch um Gewalt in Familien oder fehlenden Raum zu Hause – gerade in einer Großstadt.

Schule, das ist so, ist auch eine Sozialstation, ein geschützter Raum, ein Warnmelder. Insofern sollte man sich den lautstarken Ruf nach einem Schul-Lockdown light gut überlegen, Lobbyinteressen hin oder her.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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