Diskussion über Wohnungsnot: Hamburg lässt Volljährige allein
Im August zählten Sozialarbeiter in der Stadt über 300 junge Wohnungslose. Die Dunkelziffer sei höher, warnen Fachleute und haben konkrete Forderungen.
Charlotte Steiner ist Mitglied im Jugendrat Hamburg, einem Zusammenschluss von jungen Leuten, die zum G20-Gipfel in Hamburg im Sommer 2017 den Bildungsstreik organisierten und die seither gemeinsam Politik machen, zum Beispiel zur Jugendobdachlosigkeit. „Unser Anliegen ist, dass die individuelle Problemzuweisung aufhört und nach systembedingten Ursachen geguckt wird“, sagt Steiner. „Wohnen ist ein Menschenrecht, dass bedingungslos jedem gewährleistet werden muss.“
Steiner wird heute in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit Politikern von SPD, CDU, Grünen, FDP und Linken darüber diskutieren, wie man „Wohnraum für junge Menschen in Hamburg schaffen“ kann. Dazu eingeladen hat der Arbeitskreis Wohnraum junge Menschen.
Ein Problem ist, dass der Rechtsanspruch auf eine „Hilfe zur Erziehung“ mit 18 Jahren erlischt und die sogenannten „Hilfen für junge Volljährige“ nur eine Sollvorschrift sind. „Und es gibt viele junge Menschen, die landen gar nicht erst in der Jugendhilfe und müssen mit 18 bei ihren Eltern raus“, erläutert Olaf Sobczak vom Arbeitskreis. So droht Jugendobdachlosigkeit, ein schlechter Start ins Leben. Viele machten auch „Couchsurfen“ und lebten bei Bekannten, sie werden gar nicht mitgezählt.
Stiftung für Notschlafstelle gesucht
Und das Problem scheint beachtlich. Auf Bitte des Landesjugendhilfeausschusses führten vom 1. bis 31. August 13 Einrichtungen der Jugendsozialarbeit eine Zählung durch und kamen auf 317 junge wohnungslose Menschen. Die Hamburger Obdachlosenbefragung vom Jahr davor hatte bei einer „Stichwochenerhebung“ 163 Obdachlose bis 27 Jahre gezählt. Bedenke man, dass ein Großteil sich in „versteckter Wohnungslosigkeit“ bewege, lasse dies eine hohe Zahl von Betroffenen erahnen, heißt es in einem „Positionspapier“ des Kreises, in dem rund ein Dutzend Einrichtungen vertreten sind.
Schon seit über zehn Jahren fordern die Sozialarbeiter eine eigene Notschlafstelle für diese Zielgruppe, damit sie diese nicht in Erwachsenenunterkünfte schicken müssen. Die Stadt lehnt dies ab, deswegen sucht das Projekt „Hude“ für junge Wohnungslose im Bezirk Nord dringend eine Stiftung, die ein Modellprojekt finanziert. „Wir wollen rausfinden, ob dieser Ansatz etwas bringt“, sagt Hude-Mitarbeiter Alexis Schnock. Sei eine Stiftung dazu bereit, solle sie sich melden.
Doch man solle auch darüber reden, „wie endlich mehr Wohnraum für junge Menschen entsteht“, sagt Sobczak. Im Rahmen eines städtischen Konzepts seien seit 2013 nur 20 Wohnungen gebaut worden.
Sobzcak und Kollegen haben dafür einen Katalog mit 18 Forderungen. Ganz wichtig sei, dass es „keine Entlassung aus stationärer Jugendhilfe in Wohnunterkünfte oder Wohnungslosigkeit“ geben dürfe und der Verbleib der jungen Menschen statistisch verlässlich erfasst werde. Auch müsse man kleine Wohnheime nach dem Vorbild der Studentenheime schaffen und Wohnungsunternehmen verpflichten, auch junge Menschen zu versorgen.
Wenig Chancen auf Sozialwohnung
Die Stadt müsse zur Hälfte Sozialwohnungen bauen und bei Ausschreibungen Wohnraum für junge Menschen als „verbindliches Kriterium“ festlegen. Auch brauche man eine Quote von Sozialwohnungen für junge Menschen. Sonst hätten diese in Konkurrenz zu Familien mit Berechtigungsschein kaum eine Chance.
In den Unterkünften für Wohnungslose seien zudem auch junge Menschen gestrandet, die wegen ihres Aufenthaltsstatus keinen Dringlichkeitsschein bekommen. Auch die „müssen mit Wohnungen versorgt werden“, sagt Sobczak.
Sobczak hat die Hoffnung, dass die Parteien kurz vor der Wahl für die Nöte der jungen Leute offen sind. „Seit über Jahren reden wir drüber“, sagt er, „es muss sich endlich was tun.“
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