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Diskussion über Paragraf 219aSPD-Spitze speist Basis ab

Die Antragskommission versucht vor dem Parteitag Anträge gegen den Paragrafen zu entschärfen. Die Antragssteller*innen ärgert das.

Als im November die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel wegen ihrer Webseite zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt wurde, formierte sich starker Protest vor dem Gericht Foto: dpa

Berlin taz | Die SPD-Basis bringt den Paragrafen 219a auf den Parteitag: Mehrere Kreis- und Bezirksverbände sowie die Jusos haben für die Versammlung am Sonntag in Wiesbaden Anträge formuliert, in denen sie die SPD-Bundestagsfraktion dazu auffordern, den geplanten Gesetzentwurf für eine Streichung doch noch einzubringen.

Noch im März hatten die sozialdemokratischen Abgeordneten angekündigt, gemeinsam mit Linkspartei und Grünen für eine Streichung zu plädieren. Aus Rücksicht auf die Union haben sie ihren Antrag dann aber doch zurückgehalten.

Der Paragraf 219a verbietet das „Werben für Schwangerschaftsabbrüche“, ist dabei jedoch so weit gefasst, dass er auch die reine Information, dass Ärzt*innen Abtreibungen vornehmen, unter Strafe stellt.

Aktuell soll Justizministerin Katarina Barley (SPD) für die Koalition einen Kompromissvorschlag erarbeiten. Darauf wollen sich aber nicht alle Genoss*innen verlassen, wie die eingebrachten Anträge zeigen. Die Antragskommission des Parteitags, der Finanzminister Olaf Scholz vorsteht und in der auch Barley Mitglied ist, hat unterdessen alle vier Anträge, die explizit eine Streichung fordern, zu einem zusammengefasst und wie folgt umformuliert: „§219a StGB: Recht auf sachliche Information gewährleisten strafrechtlich Konsequenzen für Ärztinnen und Ärzte wirksam verhindern“. Das Wort „Streichung“ fehlt.

Zweifel an Barleys Kompromissvorschlag

Dorothea Düsedau, die den Antrag für die SPD Düsseldorf initiiert hat, verärgert das. „Das ist wieder einmal typisch. Es war natürlich Absicht, dass der Ton in unserem Antrag so energisch ist. Wir wollen zeigen, dass es massiven Druck von der Basis gibt.“ Sie hofft deshalb, dass der Parteitag gegen die Empfehlung der Antragskommission stimmt.

Die Bundestagsabgeordnete und Parteitagsdelegierte Josephine Ortleb sagt dagegen: „Ich kann bei den Formulierungen in der Sache keinen großen Widerspruch erkennen.“ Außerdem habe die Bundestagsfraktion bereits im Dezember einen Beschluss gefasst, der die Streichung des Paragrafen vorsieht. Dieser sei nach wie vor die Basis, auf der man arbeite. Man müsse nun erst einmal den Vorschlag der Bundesregierung abwarten. Inhaltlich sei die Fraktion aber „noch auf demselben Standpunkt wie im Dezember“.

Dass Barley diesen Standpunkt mit den Vorstellungen der Union zusammenbringen kann, bezweifelten aber viele in der SPD, sagt Dorothea Düsedau. Der Koalitionspartner will den Paragraf schließlich beibehalten. Die Düsseldorferin hofft daher, dass der Parteitag ihre Position noch einmal stärken wird.

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4 Kommentare

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  • Dass die Basis über Ohr gehauen wird, ist bei der SPD Prinzip.

    So erklärt sie vollmundig nach der Wahl, keine GroKo mehr, als aber die innerparteiliche Debatte dazu geführt wird, finden sich keine bekannten Gesichter, die noch dazu stehen. Barley sowieso nicht. So dass im Ende die braven Mitglieder sagen: Gut, wir können ja nicht unsere Spitzenleute desavouieren.

    Dasselbe gilt für Nahles: Es gab lange nicht einmal eine starke Gegenkandidatin, erst verspätet hat sich eine Lokalpolitikerin mutig eingeschaltet.

    Aber von der Spitze wird großherzig verkündet, was für eine tolle Debattenpolitik die Partei doch habe!

     

    Deshalb: In der SPD muss die Basis lernen, sich nicht erpressen zu lassen, und die Spitze lernen, sich zu erneuern, nämlich zurückzutreten.

    Das wird in Regierungsverantwortung nicht passieren. Je länger eine Person die taktischen Spielchen dieser Partei mitgemacht hat, je mehr kann man davon ausgehen, dass sie jegliche Prinzipien in der Garderobe abgegeben hat.

  • Was geht es den Arbeiter an, dass Mediziner Werbung treiben dürfen? Das ist doch eine reine Kampagne im FDP Geist. Das hat doch mit Sozialdemokratie nichts zu tun und weicht die verbliebenen berufständischen Regulierungen auf.

  • Der §219a ist für die SPD nur ein Leckerli an den Koalitionspartner CDU/CSU gewesen, um den Speichelfluss anzuregen. Ein rein taktisches Ablenkungsmanöver einer rein taktischen Partei. Mit den Problemen schwangerer Frauen und den praktischen Schwierigkeiten von Frauen und Ärzten, die abtreiben wollen oder müssen, hat die heutige SPD ausserhalb von Wahlkämpfen und Koalitionsverhandlungen doch überhaupt nichts mehr am Hut.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    SPD: Die Partei der UmfallerInnen (PDU).