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Diskriminierung von Roma in BerlinAuf dem Amt sind sie „Zigeuner“

Roma werden in allen Lebensbereichen benachteiligt, auch bei Behörden. Dies zeigt die erste Dokumentation antiziganistischer Vorfälle.

Protest gegen die Diskriminierung von Roma Foto: dpa

Berlin taz | Eine serbische Familie will beim Jobcenter einen Antrag auf Leistungen nach Sozialgesetzbuch II stellen. Die Sachbearbeiterin am Schalter sagt: „Ich will deine Unterlagen nicht sehen. Ich will mit Zigeunern nichts zu tun haben.“ Als die betroffene Frau anfängt zu weinen, wird sie von der Security rausgeworfen.

Dies ist nur eins von vielen Beispielen für rassistische Diskriminierung, die in der deutschlandweit ersten systematischen Dokumentation antiziganistischer Vorfälle zusammengefasst sind. Die interkulturelle Jugendorganisation Amaro Foro hat den Bericht am Donnerstag vorgestellt. Er zeigt: Rassismus in vielfältigen Formen ist in Berlin für Roma – und Menschen, die für solche gehalten werden – trauriger Alltag. 118 Fälle wurden der Anlaufstelle in 2015 von Betroffenen gemeldet, etwas mehr als im Vorjahr (107).

Die Zahlen seien aber nicht repräsentativ, betont Projektleiterin Diana Botescu. Die Dunkelziffer sei sicher viel höher, denn das Projekt sei noch nicht sehr bekannt. Zudem meldeten sich viele Betroffene erst später. Viele wollten auch nicht, dass Amaro Foro der Sache nachgeht und Gegenmaßnahmen ergreift – aus Angst, als Opfer dazustehen.

Seit Anfang 2014 finanziert die Landesstelle für Gleichbehandlung gegen Diskriminierung das Projekt im Rahmen des Roma-Aktionsplans. Ziel: die Betroffenen beraten, ihnen helfen, ihre Rechte einzufordern – und Berliner Behörden und andere Akteure für das Problem zu sensibilisieren. Denn Antiziganismus, hält die Dokumentation fest, erfahren Roma in allen Lebensbereichen: im Kontakt mit Behörden, Polizei, Schulen, in der Arbeitswelt, bei der Wohnungssuche, bei Banken und Telefongesellschaften, im öffentlichen Raum, in der Nachbarschaft.

Beispiel Familienkasse: Um Kindergeld zu beantragen, benötigt man normalerweise eine Meldebescheinigung, die Geburtsurkunde des Kindes und einen Personalausweis. Bei Rumänen und Bulgaren, die häufig als identisch mit Roma gesetzt werden, verlange die Behörde zusätzlich weitere Unterlagen, berichtet Botescu: Mietvertrag, Steueridentitätsnummer, Arbeitsvertrag, sogar Aufenthaltstitel – den Bürger aus diesen EU-Ländern gar nicht mehr benötigen. „Das ist auch nie einheitlich, es werden immer andere Unterlagen gefordert“, so Botescu. Wenn Amaro Foro sich im Namen der Betroffenen beschwere oder sogar mit einer Untätigkeitsklage drohe, „dann geht es plötzlich doch“.

Die Diskriminierung durch Behörden macht einen großen Teil der vom Projekt dokumentierten 118 Fälle aus. So gab es 35 Vorkommnisse im Zusammenhang mit Anträgen auf Sozialleistungen, acht bei der Polizei, sieben in Schulen, zehn bei Krankenkassen. Die Formen der Benachteiligung sind vielfältig: Menschen werden rassistisch beleidigt, kurzerhand abgewiesen, müssen Sonderanforderungen erfüllen, es wird mit Einschaltung der Polizei gedroht.

Jene Behörden, bei denen Roma besonders häufig Probleme haben, kenne man schon aus der langjährigen Beratungspraxis, erzählt Georgi Ivanov, Koordinator der Sozialberatung bei Amaro Foro. Man versuche dann, sie auf ihren „erhöhten Sensibilisierungsbedarf“ hinzuweisen. „Aber niemand will sich mit dem eigenen Rassismus auseinandersetzen.“ Kommt es doch einmal dazu, dass sich nach mühsamer Überzeugungsarbeit drei, vier Polizisten zu einer Schulung bei Amaro Foro einfinden, wird schnell klar, wo das Problem liegt, so Andrea Wierich, Sprecherin der Organisation: „Da hieß es dann: ‚Erklärt uns doch mal, warum Roma so gerne im Park schlafen?‘“

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8 Kommentare

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  • ich habe nochmall und dritte und vierte mal gelest, überlest, übermeindt, nachdenkt diese Artikel. Und bin nicht mehr ganz sicher daß fählt mich alle was in Text schreibt... Vieleich verstehe ich das nur bis halb, oder verstehe das falsch, ( leider kann ich noch nicht richtig-korrekt deutsch) aber kann nicht gesehen was macht Amaro Foro gegen diese Lage außer das, daß haten ihr ein Projekt gemacht, daß hatten die Lage gemessen und präsentieren...Und was noch ? Und wenn hatten keine mehr gemacht wie wird uns, Sinti und Romas von diese Projekt besser sein ?

  • 3G
    33324 (Profil gelöscht)

    "Keine Abschiebung in Elend und Diskriminierung" - Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch frage ich mich, ob die Verhältnisse in Deutschland um soviel besser sind. Aus dem Bericht schließe ich das Gegenteil.

  • Meines Wissens gilt die Pflicht, die SteuerID eines Kindes vorzulegen oder einen anderen sicheren Geburtsnachweis für JEDEN, der Kindergeld für im Ausland lebende Kinder beantragt. Weil in der Vergangenheit wohl häufiger für erfundene Kinder oder für vorhandene Kinder mehrfach kassiert wurde. Deshalb muss jetzt eine klare Identifikation erfolgen, egal ob der Antragsteller aus Bulgarien oder England stammt.

  • Es gibt leider immer wieder sehr voreingenommene, unfaire Nachrichtenartikel über Sinti und Roma, die die Wahrheit verzerren.

     

    Durch Berichte wie den aus dem folgenden Link entsteht der Eindruck, für die dort genannten Probleme seien nur die Roma verantwortlich: http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/das-ist-eine-katastrophe-id1463070.html

    Dabei dürften auch die Einheimischen einiges zu den Problemen beigetragen haben.

  • Eben genau deshalb ist es so wichtig, Leute auf den Gängen zu den Ämtern zu begleiten - weil die "Mitarbeiter" häufig auf Leute, die nicht gut die Sprache können, reagieren und abweisen.

    Zudem, dass mehrere Arbeitsamtstandorte einfach nicht funktionieren, die Auszahlung des Regelsatzes und der Miete nicht passiert, und vieles an Chaos die Betroffenen stresst - Roma werden weggeschickt. Das habe ich selbst auch schon gesehen.

    • @nzuli sana:

      Ich arbeite immerhin in einer großen Kreisstadt als Einzelhändler. Viele Erstankömmlinge kommen (immer wieder) gezielt zu mir um sich Auskünfte erteilen zu lassen, weil sich wohl herumgesprochen hat, daß ich recht gut englisch spreche. Die Stadtverwaltung und Behörden weigern sich rundheraus etwas anderes als deutsch zu sprechen. "Kommen Sie wieder wenn Sie jemanden haben der deutsch spricht." Nicht nur verkompliziert das die Lage und die Abläufe völlig unnötig, auch darf getrost von mehr oder weniger verstecktem Rassismus ausgegangen werden.

       

      Wenn man mal ins europäische Umland guckt und mit welcher Selbstverständlihkeit dort (häufig sehr gut) englisch gesprochen wird, kann man sich nur schämen. Nicht nur für den Bildungsstand vieler "Gebildeter", sondern vor allem für die Kleingeistigkeit vermeinlich großer Geister.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @Nifty_Monkey:

        Na, dann setzen Sie sich mal auf Englisch mit Angestellten des mittlerem Managements in Frankreich, Italien oder Spanien auseinander oder mit Behörden in Polen oder Tschechien.

         

        Die Beherrschung von Fremdsprachen ist wahrlich kein Alleinstellungsmerkmal von Nationen um uns herum.

         

        Denn Englisch ist heute auf europäischer (und internationaler) Ebene das, was Latein im europäischen Mittelalter war: ein eher schlecht als recht gesprochenes Mittel zur Basis-Verständigung.

         

        Wer es beruflich oder aufgrund stetiger Kontaktsituationen braucht (also vor allem jüngere Menschen), kann es wenigstens so gut, dass er die "Message irgendwie rüberbringen" kann. Gutes oder sehr gutes Englisch hört sich jedoch in aller Regel anders an.

         

        Dass deutsche Stadtverwaltung oder Behörden da nicht die Vorreiter sind, ist also kaum verwunderlich.

      • @Nifty_Monkey:

        sehe ich anders. Es geht bei Behördenangelegenheiten oft um kleine Details, die über Annahme oder Ablehnung eines Antrags entscheiden. Wenn dann beide sich in einer Sprache unterhalten, die beide nicht besonders gut können, kommt leicht etwas falsches dabei heraus.