Diskriminierung durch Behörden: Die Frage nach der Herkunft
Erstmals wurde ein Polizist in Berlin wegen Diskriminierung verurteilt. Er wollte nicht einsehen, dass ein nicht weißer Mensch aus Bochum stammen kann.
Dieser zeigte sich gegenüber der taz zwar froh über das Urteil, zugleich aber enttäuscht über die Reaktion der Polizei im Verlauf des Verfahrens: „Es ist deutlich geworden, dass trotz einer Dienstaufsichtsbeschwerde die Polizei die Diskriminierung als solche – Stand heute – nicht wahrnimmt. Hier sollte besser sensibilisiert werden.“
Der Vorfall ereignete sich kurz nach Inkrafttreten des LADG im Juli 2020: Herr N. war mit dem Fahrrad unterwegs und wurde von der Polizei angehalten, weil er angeblich sein Mobiltelefon während des Fahrens benutzt hatte. Es kam zu einer Identitätskontrolle, bei der sich zwei Polizeibeamte laut Aussage von N., einer ihn begleitenden Freundin und eines Passanten laut und aggressiv verhielten und gegen N. ein Ordnungsgeld von 50 Euro verhängten. Herr N. wies sich mit einer Krankenkassenkarte aus, worauf ihn ein Beamter nach seinem Geburtsort fragte. Auf seine Antwort – „Bochum“ – fragte der Polizist nach, wo N. „wirklich“ herkomme.
N. sah darin eine Diskriminierung aufgrund seiner ethnischen Herkunft und einer rassistischen Zuschreibung – nach dem Motto: Nichtweiße können ja gar keine Deutschen sein. Er wandte sich an die Ombudsstelle, die mit dem LADG eingerichtet wurde, um Bürgern zu helfen, ihr Recht durchzusetzen. Das Gesetz verbietet Diskriminierungen durch Beschäftigte von Landesbehörden und landeseigenen Betrieben; seit Inkrafttreten im Juni 2020 gingen mehrere tausend Beschwerden ein, vor allem gegen Bezirksämter, Schulen, BVG – und die Polizei.
Charlotte Heyer, Antidiskriminierungsnetzwerk
Nur eine halbe Entschuldigung
Im Fall von N. befand die Ombudsstelle nach umfassender Prüfung inklusive Akteneinsicht, es liege tatsächlich eine Diskriminierung vor. Die Leiterin der Ombudsstelle sprach gegenüber der Polizei eine formelle Beanstandung aus. Sie empfahl eine schriftliche Entschuldigung und die Rücknahme des Bußgeldes.
Dem kam die Polizei zwar nach, allerdings hieß es im Entschuldigungsschreiben nur, man bedauere, dass N. sich „diskriminiert gefühlt“ habe – dass die Handlungsweise der Beamten tatsächlich diskriminierend war, wurde also nicht zugegeben. Dies empfand N. als zu wenig, ebenso die angebotenen 100 Euro Entschädigung – und reichte Ende 2021 Klage ein. Im März dieses Jahres kam es zur mündlichen Verhandlung, vorige Woche fiel das Urteil. Bei der Verkündung habe die Richterin erklärt, die Formulierung im Entschuldigungsschreiben der Polizei sei tatsächlich nicht ausreichend, erklärte das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB), das N. bei der Klage unterstützte.
Charlotte Heyer, Projektleiterin des ADNB, sagte weiter, Syed N.s Erfahrung sei kein Einzelfall. „Als Beratungsstelle hören wir alltäglich von Fällen rassistischer Diskriminierung und Gewalt durch die Polizei. Eine Verantwortungsübernahme durch die Behörde können wir leider fast nie beobachten.“
Auch der zuständige Staatssekretär für Integration, Antidiskriminierung und Vielfalt, Max Landero (SPD), kritisierte auf taz-Anfrage, die Polizei habe im Laufe dieses Verfahrens mehrere Gelegenheiten einer gütlichen Einigung verstreichen lassen. „Es wäre bereits frühzeitig möglich gewesen, institutionelle Verantwortung zu übernehmen und die Diskriminierung des Klägers anzuerkennen.“ Die lange Dauer des Verfahrens zeige zudem, was es für eine „enorme Kraftanstrengung für diskriminierte Personen“ bedeute, ihre Rechte durchzusetzen. Landero: „Hiermit ist sicherlich auch die Frage nach einer gelebten Fehlerkultur verbunden.“
Polizei sieht Sachverhalt anders
Tatsächlich zeigt die Antwort der Polizei, dass die Behörde im Zuge des Verfahrens sogar wieder davon abgerückt ist, in dem Fall einen Fehler zuzugestehen. Eine Sprecherin erklärte auf taz-Anfrage, man habe im Rahmen des Beschwerde- und Klageverfahrens „mehrfach Entschädigungsangebote unterbreitet“ – was implizit ein Schuldeingeständnis ist. Aber: Beim Verfahren vor dem Amtsgericht sei man „nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage durch die Polizei Berlin letztlich einem Vergleichsvorschlag nicht mehr nachgekommen, da nach Bewertung der Polizei Berlin der Sachverhalt ein anderer war als dort vom Kläger vorgetragen“. Ansonsten könne man sich nicht zum Urteil äußern, da der Polizei die schriftliche Begründung noch nicht vorliege.
Über mangelnde „Fehlerkultur“ hatte sich erst kürzlich auch der neue Polizei- und Bürgerbeauftragte Alexander Oerke bei der Vorstellung seines ersten Jahresberichts beklagt. Auch an ihn können sich Menschen wenden, die sich von der Polizei diskriminiert fühlen. Die Arbeit mit der Polizei gestaltet sich laut Oerke „deutlich schwieriger und langwieriger“ als mit anderen Behörden und Einrichtungen, Fehler würden oft nicht zugegeben, „unglaubhafte Aussagen von Dienstkräften nicht hinterfragt“.
Für den Türkischen Bund Berlin-Brandenburg zeigt das Urteil, wie notwendig es ist, „rassismuskritische und diskriminierungssensible Ansätze und Themen in der Ausbildung der Polizei zu verankern“. Nur so könne „institutionellem Rassismus effektiv entgegengewirkt werden“, sagte Vorstand Zülfukar Cetin.
Kläger Syed N. sagte der taz, ohne Unterstützung der Ombudsstelle und des ADNB hätte er diesen Kampf nicht durchhalten können: „Recht haben und Recht bekommen war und ist ein sehr schwieriger und kostenintensiver Weg.“
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