Adventskalender (4): Kein Untergang des Abendlands

Benachteiligung durch den Staat? Mehr als meckerwürdig! Eine frohe Botschaft ist es, wenn ein neues Gesetz dazu beiträgt, dass das besser werden kann.

Polizeiauto neben Weihnachtsbaum

Weihnachtswunsch an die Polizei: bitte mal nicht diskriminieren! Foto: IMAGO / A. Friedrichs

Es gibt sie noch, die nicht ganz so schlechten Dinge – auch wenn sie derzeit rar gesät sind. In diesem Advent zaubern wir jeden Tag etwas Meckerfreies aus unserem Kalender. Sei's kulinarisch oder klimatisch, mobil oder musikalisch. Oder, wie heute, mal klassisch politisch.

BERLIN taz | Die Aufregung vor der Einführung war groß: Die Polizei werde unter Generalverdacht gestellt, Berlin von einer Klagewelle überrollt, und überhaupt stehe quasi der Untergang des Abendlandes bevor.

Aber rund drei Jahre nachdem das Landesantidiskriminierungsgesetz, kurz LADG, vom damals noch rot-rot-grünen Senat eingeführt wurde, ist von den ganzen Befürchtungen nicht viel übrig geblieben. Vielmehr hat sich das LADG als genau das bewährt, als as es gedacht war: eine wichtige Ergänzung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), damit Bür­ge­r*in­nen auch gegen staatliche Diskriminierung vorgehen können.

Und das tun sie auch: Genau 2.245 Beschwerden sind, Stand Ende November, bei der Ombudstelle eingegangen. Davon fiel mit rund 1.200 zwar nur etwas mehr als die Hälfte tatsächlich in den Anwendungsbereich des LADG, aber so ist das eben mit neuen Gesetzen. Und dass Diskriminierungen beim Jobcenter ein Fall für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sind: geschenkt. Hauptsache, es landet am Ende bei den Richtigen und wird von denen auch bearbeitet.

Diskriminierende Bezirksämter

So oder so wirft es ein Schlaglicht darauf, wer hier wie und warum staatlicherseits diskriminiert wird – und vor allem von wem. Laut der Senatsverwaltung für Arbeit und Soziales, die auch für Vielfalt und Antidiskriminierung zuständig ist, belegen die Bezirksämter, also Bürgerämter, Standesämter, Jugendämter, und Ordnungsämter Platz eins des Negativ-Rankings. Gleich dahinter folgen die Berliner Schulen und Hochschulen, die Verkehrsbetriebe und erst dann die Polizei.

Und wen haben die Staats­die­ne­r*in­nen so auf dem Kieker? Laut Ombudsstelle sind es vor allem Menschen mit einer Behinderung und – vermeintliche oder tatsächliche – Migrant*innen, wobei die Beschwerden wegen Ableismus beziehungsweise Rassismus sich ungefähr die Waage halten. Platz zwei belegen Diskriminierungen wegen der geschlechtlichen oder der sexuellen Identität und Platz drei der soziale Status.

Nach etwas, worüber man nicht meckern kann – wie es dieser Adventskalender verspricht –, klingt das ja nun weniger, eigentlich eher im Gegenteil. Aber um Diskriminierung bekämpfen zu können, muss sie sichtbar sein, und genau das leistet das LADG. Die Ombudsstelle zieht deshalb auch ein durch und durch positives Fazit: „Berlin kann wirklich stolz auf dieses Gesetz sein“, heißt es auf taz-Anfrage.

Denn nicht nur werde das LADG in der Stadtgesellschaft immer bekannter, es gebe gleichzeitig in der Verwaltung ein „riesengroßes Interesse an Schulungen“. Und in der Senatsverwaltung weiß man: „Die Beschwerden, die bei der Ombudsstelle eingehen, geben auch Hinweise auf strukturelle Diskriminierungen und helfen dabei, strukturelle Diskriminierung abzubauen.“

Sogar noch eine weitere gute Nachricht gibt es zum Schluss: Berlin wird aller Voraussicht nach nicht das einzige Bundesland bleiben, in dem die Menschen gegen staatliche Diskriminierung vorgehen können. Die frohe Botschaft der Senatsverwaltung lautet: Wegen der guten Erfahrungen wollen „viele Bundesländer“ nun eigene Landesantidiskriminierungsgesetze auf den Weg bringen.

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