Diskriminierendes Verhalten im Fußball: Der Antirassismus der Fifa
Ist es wirklich ohne Abstriche ganz toll, wenn der Weltfußballverband Strafen wegen rassistischer und homophober Fans verhängt? Nicht ganz.
G anz toll, Fifa. „Say no to racism“ heißt es immer, wenn international Fußball gespielt wird. Nun hat die Organisation elf Mitgliedsverbände bestraft – wegen „diskriminierendem und unsportlichen Verhalten der Fans“, konkret wegen Rassismus und Homophobie. Honduras, El Salvador, Mexiko, Kanada, Chile, Brasilien, Argentinien, Paraguay, Peru, Albanien und, als europäischer Vertreter, Italien wurden teilweise zu Geldstrafen, teils zu Spielen ohne Publikum verurteilt.
Ganz toll also. Selbstverständlich ist es nicht zu bekritteln, wenn ein Verband mit derart globaler Macht gegen Rassismus, gegen Homophobie, gegen Antisemitismus, gegen Sexismus und andere Formen der Unterdrückung vorgeht. Und Hinweise, dass dieser Fußballweltkonzern sein Engagement nicht aus philanthropischen Motiven, sondern mit Blick auf neue Märkte und neue Zielgruppen betreibt, gehen ins Leere. Schließlich kommt es doch aufs Ergebnis an: Der Scheiß muss gebannt werden.
Toll. Immer noch. Nicht mal, dass die Fifa ansonsten eine Organisation ist, der oft Kriminalität (und Korruption sowieso) nachgesagt wird, und die ihre gutgemeinten Kampagnen bloß zur Verbesserung ihres ramponierten Images durchführt, mag das Lob schmälern. Denn auch hier gilt: Wer gegen Unterdrückung vorgeht, hat immer recht und muss nicht erst den Nachweis erbringen, moralisch ehrenwert zu sein.
Und was ist damit, dass hier ein Verband andere Verbände bestraft? Warum darf der Weltverband in die Rolle des zuständigen Richters schlüpfen, ein nationaler Verband hingegen in die Rolle des Angeklagten, der Verantwortung für die Fans übernehmen muss? Ja, sogar das ist zu begründen (und letztlich zu begrüßen), denn es sind ja Anhänger der Nationalteams, und immer mehr Verbände mischen sich in die Ticketvergabe ein – so auch der DFB mit seinem „Fan Club Nationalmannschaft“.
Hauptsache, der Dreck ist weg
Was denn nun? Ist es wirklich ohne Abstriche ganz toll, wenn die Fifa Strafen wegen rassistischer und homophober Fans verhängt? Nicht ganz. Denn man sollte nicht vergessen, dass der Weltverband Fifa sich selbst anmaßt, zu wissen, was als Diskriminierung gilt.
Sinnvoller wäre, man einigte sich auf etwas, das man ein wenig unbeholfen „Opferkompetenz“ nennen könnte. Soll heißen: Diskriminierte Schwarze sagen uns, was Rassismus ist; Frauen erklären uns Sexismus; LGBT-Leute bestimmen Homophobie, wie Juden dies bezüglich des Antisemitismus tun.
Ansonsten haben wir es mit einen Phänomen zu tun, das Fußballfans vom Dortmunder Keeper Roman Weidenfeller kennen: Der sollte 2010 für sechs Spiele gesperrt werden, weil er den damaligen Schalker Gerald Asamoah „schwarzes Schwein“ genannt hatte; als dann kursierte, er habe „schwules Schwein“ gesagt, gab es nur drei Spiele Sperre.
Die Geschichte illustriert, auf welchen krummen Wegen sich die Verbände diesen Themen angenähert haben: Die Bekämpfung des Rassismus auf dem Fußballplatz hatte für die Fifa immer einen höheren Stellenwert als die anderer Unterdrückungsideologien. Schließlich spielen viele schwarze Profis in den wichtigsten Ligen der Welt, sind afrikanische Verbände in der Fifa stark vertreten, und gehört die ökonomische Erschließung des afrikanischen und des asiatischen Kontinents zu den strategischen Zielen des Weltfußballverbandes. Der Bekämpfung des Sexismus haben sich Fifa und nationale Verbände erst angenommen, als zum einen der Frauenfußball wichtiger wurde und zum anderen Frauen als wichtige Zielgruppe in Stadien und vor Fernsehern entdeckt wurden.
Dass der Fußballweltverband Fifa diese Phänomene erst bekämpft, wenn sie ihm disfunktional werden, sei ihr zugestanden. Hauptsache, der Dreck ist weg. Dass wir, die Fans, die Sportöffentlichkeit, die Zivilgesellschaft, aber der Fifa das Recht überlassen, zu definieren, wann welche Unterdrückung anfängt, das ist nicht toll.
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