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Direktorin über das Kunstzentrum CukrarnaKunst als ein Kissen zum Weinen

Alenka Gregorič ist die Programmdirektorin des neuen Kunstzentrums Cukrarna im slowenischen Ljubljana. Es soll aber nicht nur ein Museum sein.

Cukrarna-Galerie in Ljubljana Foto: Miran Kambi
Interview von Bostjan Bugaric

taz: Frau Gregorič, die Zuckerfabrik in Ljubljana war bis Mitte des 19. Jahrhundert die größte des Habsburgerreichs, später nach dem Erdbeben von 1895 hausten in dem heruntergekommenen Gebäude unter anderem einige der bedeutendsten Schriftsteller der slowenischen Moderne – seit letztem Jahr ist die Cukrarna nun auch offiziell eine Institution der Kunst. Welche Rolle soll sie spielen?

Alenka Gregorič: Nun, es gibt bereits eine ganze Menge alternativer, unabhängiger Kulturräume in Ljubljana und Slowenien – und natürlich die Museen und andere kulturelle Institutionen, die einen guten Job machen. Aber die Cukrarna hat eine andere Aufgabe, denn sie ist weder Museum noch Galerie. Es ist eher eine Kunsthalle – und damit der fehlende Stein im Mosaik des hiesigen Kunstsystems.

Inwiefern?

Bild: Aleš Beno
Im Interview: Alenka Gregorič

ist Programmdirektorin des neuen Zentrums für zeitgenössische Kunst Cukrarna in Ljubljana, Slowenien. Die Kunsthistorikerin arbeitete zuvor in ähnlicher Position bei der unabhängigen Škuc-Galerie (2003–2009) und als Art-Direktorin der City Art Gallery Ljubljana.

Die Cukrarna dient nicht nur dazu, Kunst auszustellen, sondern auch dazu, zeitgenössische Kunst zu produzieren – und das auch in Form von verschiedenen Diskursen und Herangehensweisen an die Vermittlung solcher Kunst an das Publikum. Ich denke, das ist der entscheidende Punkt, denn wir alle sind mit dem Problem konfrontiert, dass zeitgenössische Kunst oft unlesbar und zu hermetisch ist. Man braucht eine Menge Wissen, um sie zu verstehen. Wir müssen Werkzeuge finden, Kunst einem Publikum zu vermitteln, das kein typisches Kunstpublikum ist – und genau das war mein Hauptanliegen, als ich im Jahr 2019 eingeladen wurde, ein Programm für die Cukrarna zu entwickeln.

An welchem Punkt haben Sie begonnen?

Ich habe erst mal die Kunstszene analysiert: Wo könnte sich dieser neue Raum positionieren, auch im Verhältnis zur internationalen Szene? Die Cukrarna hat ein vielfältiges Publikum, das wir zu entdecken versuchen. Wer sind die Interessierten? Was vermissen sie? Was sind die Erwartungshaltungen, welche Werkzeuge brauchen wir, um ihnen Kunst zu kommunizieren? Das war zunächst meine Hauptaufgabe. Eine Autobahn mit mehreren Spuren, die ich immer wieder wechseln musste, um schließlich eine Balance zu finden, im Einklang zu sein auch mit meinen eigenen Kunstpräferenzen.

Wie kann es denn konkret gelingen, verschiedene Arten künstlerischen Ausdrucks zu kombinieren?

Zeitgenössische Kunst besteht aus einer Vielfalt von Zugängen, Medien und Ausdrucksweisen. Wir können also nicht nur über Skulpturen oder Gemälde sprechen, es ist ja alles miteinander verbunden. Also verbinden wir Performance, Musik, Tanz, Lesungen … die Architekten von Scapelab haben ihre Aufgabe gut gelöst, indem sie darüber nachgedacht haben, was Kunst heute bedeutet.

Ein Architekturbüro aus Ljubljana – renoviert wurde seit 2018, das Haus hat eine beachtliche Gesamtfläche von 5.600 Quadratmetern.

Der Raum ermöglicht uns, in viele verschiedene Richtungen zu gehen und mehrere Veranstaltungen zugleich zu haben. Die Idee dahinter ist, dass dieser Ort einer der Begegnung und des Gedankenaustauschs ist. Kunst soll hier nicht nur konsumiert werden, stattdessen soll man auch eigene Ideen und Wissen einbringen können. Die Cukrarna kann so moderne Kunst vor Ort tatsächlich im besten Sinne verankern.

Die erste Ausstellung trug den Titel „Die Schönheit der Erinnerung“, basierend auf den Briefen des slowenischen Poeten Dragotin Kette an Ivan Cankar. Dragotin erkrankte tödlich an Tuberkulose, während er in der Cukrarna lebte. Warum haben Sie einen rückwärtsgewandten Beginn gewählt?

Diese Ausstellung befasste sich mit Erinnerung, weil diese uns stark definiert. Mittels persönlicher und kollektiver Erinnerung erschaffen wir unsere Idee von der Zukunft – es ging also darum, welche Erinnerungen wir unserem Verständnis von Gegenwart hinzufügen könnten. Ich habe daher Künst­le­r*in­nen eingeladen, eine Art Bündnis einzugehen mit uns als Institution. Auf diese Weise entstand eine Werkstatt, in der deren Ideen, unsere als Institution und die des Publikums verhandelt wurden. Es war eine kollektive Arbeit, und in diesem Stil haben wir über 80 Veranstaltungen im letzten Jahr gehabt.

Von Adrian Paci, einem albanischen Künstler, zeigten Sie in der ersten Ausstellung ein Werk, das sich mit dem Transport einer klassizistischen Marmorsäule von China nach Italien und den damit zusammenhängenden prekären Arbeits- und Produktionsverhältnissen beschäftigt – und sich so auch in den Kontext des „Balkans“ fügt, Transformationen von Ost nach West …

Ja, ich stamme aus Ex-Jugoslawien, aus Osteuropa. Und ich habe mich schon immer auch für die Strukturen des Kunstmarkts, politische Strukturen und die wirtschaftlichen Überlebenschancen von Künst­le­r*in­nen interessiert. Ich war lange Zeit Teil der nicht von der öffentlichen Hand unterstützten Kunstwelt, etwa der Galerie Škuc, war über zehn Jahre lang selbständig – und ich habe größten Respekt vor jedem, der sich dafür entscheidet, Künstler, Kuratorin oder Kunst­theo­re­ti­ke­r*in zu werden. Aber es ist wichtig zu begreifen, dass diese Probleme eben nicht nur lokal bestehen, etwa hier in Ljubljana, sondern überall, auch in Berlin oder Marseille.

So wie die chinesischen Arbeiter, die die Marmorsäule unter großen Schwierigkeiten über die halbe Welt transportieren müssen?

Ich sage immer, dass Kunst mich nicht schlagen soll. Manchmal braucht es nur eine freundliche Geste, eine wirklich sanfte, die dein Verständnis der Dinge durcheinanderwirbelt. So wie die Arbeit von Adrian Paci, die sich mit unserer Vorstellung von Kunstproduktion auseinandersetzt. Kunst sollte nicht predigen, sie sollte unterrichten, uns einladen, über Dinge nachzudenken, uns selbst auszudrücken – und uns nicht nur ständig aufzeigen, was alles falsch läuft.

In Ihrer Auswahl findet man auch Marjetica Potrč, eine international sehr erfolgreiche slowenische Künstlerin, die sich mit ökologischen und sozialen Themen befasst. Aber ist ihre Arbeit auch dem einheimischen Publikum bekannt?

Ich versuche Marjetica Potrč in möglichst viele Projekte miteinzubeziehen, weil ich denke, dass ihr Werk unglaublich gut ist. Die Art, wie sie Wissen transformiert, von dem man annimmt, dass es unwichtig ist, weil es nicht niedergeschrieben wurde oder von indigenen Völkern stammt. Sie spricht mit unglaublich vielen verschiedenen Menschen über ihre Themen, es ist eine Tiefenrecherche und das daraus hervorgehende Material wird zur Grundlage ihrer Arbeit – alles basiert auf Zusammenarbeit, ist Gemeinschaftswerk. Sie ist eine Frau der Tat – und ihre Projekte sprechen zu den Menschen.

Sie haben mal gesagt, eines der Probleme in Slowenien sei, dass es zwar eine Menge Zuhören gäbe, aber kein Hören – weshalb es geradezu zwingend sei, gemeinsame Projekte anzugehen. Ist die Cukrarna tatsächlich ein Ort, an dem sich auch eine breitere Öffentlichkeit einbringen kann?

Es ist ein Versuch und es ist nicht leicht. Wir versuchen auch andere Stimmen zu hören und das beeinflusst unsere Art zu denken und an Projekten zu arbeiten. Mit anderen zu arbeiten bringt immer auch Vorteile – zum Beispiel Inhalte, auf die ich nie gekommen wäre. Oder Debatten, die ich nie eröffnet hätte.

Aus dem Englischen von Martin Reichert

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