Direkte Demokratie in Dänemark: Angstkampagne gegen EU-Skepsis
In einem Referendum entscheidet sich, ob Kopenhagen künftig mehr Souveränität an Brüssel abgibt. Befürworter und Gegner liegen gleich auf.
Es geht um den „Rechtsvorbehalt“. Das ist eine der vier Ausnahmen, die Brüssel dem Land 1993 im Übereinkommen von Edinburgh zugestanden hatte. Ein Jahr zuvor hatte eine Mehrheit der DänInnen mit ihrem Nein zum Maastricht-Abkommen die gesamte EU ins Schleudern gebracht. Dieses Vertragswerk bedurfte der Annahme durch alle Mitgliedsländer. Das dänische Referendums-Nein blockierte deshalb den gesamten Ratifizierungsprozess.
Um die Kuh vom Eis zu bringen, war Dänemark daraufhin das Recht eingeräumt worden, sich weder an einer europäischen Verteidigungszusammenarbeit noch an der gemeinsamen Währung und einer Unionsbürgerschaft beteiligen zu müssen und es durfte auch in Zukunft seine „rechtlichen und inneren Angelegenheiten“ allein regeln.
Formal bedeutet dieser „Rechtsvorbehalt“, dass Dänemark weder an der gemeinschaftlichen Terrorbekämpfung noch an ausländerrechtlichen Übereinkommen teilnimmt und auch nicht automatisch in die Unionszusammenarbeit auf handels-, straf- und familienrechtlichem Gebiet eingeht.
Letztes Wort für das dänische Parlament
Praktisch hat Kopenhagen große Teile seiner nationalen Gesetzgebung über Parallelabkommen dem EU-Niveau angepasst. Diese zwischenstaatliche Zusammenarbeit habe funktioniert und den Vorteil gehabt, dass das Land nicht ohne Not Souveränität an Brüssel abgeben musste, argumentiert die Nein-Seite. Sie möchte, dass auch in Zukunft das dänische Parlament das letzte Wort haben und der „Rechtsvorbehalt“ in Kraft bleiben soll.
„Dänemark in deinen Händen“, lautet der Slogan der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF). Am anderen Ende des Parteienspektrums wirbt auch die linke „Einheitsliste“ für ein Nein mit dem Slogan „Für Offenheit und Demokratie“ und der Begründung, Macht solle so nahe wie möglich bei der Bevölkerung verankert werden, „nicht immer weiter und weiter weg“. Schon gar nicht bei einem Gebilde mit solchen Demokratiemängeln, wie es die EU darstelle.
Angesichts der tief verankerten EU-Skepsis der DänInnen wollte die Ja-Seite, die im Parlament von Sozialisten bis zu den Konservativen reicht und sich eigentlich auf zwei Drittel der Stimmen stützen kann, kein Risiko eingehen und entfaltete eine Angstkampagne.
„Wer Drogenhändlern, Diebesbanden und Kinderschänderringen das Handwerk legen will, muss mit Ja stimmen. Wer andere Ambitionen hat – der soll Nein sagen“, klotzte Lars Løkke Rasmussen. „Ein Nein spielt mit unser aller Sicherheit und Zukunft“, beschwor der Regierungschef und unterstellte Nein-SagerInnen, sie würden der Agenda von Kriminellen folgen.
Auf Totschlagargumente setzen
Ähnlich der konservative Exvizeministerpräsident Bendt Bendtsen, für den ein Nein „eine Unterstützung der zynischsten, gewalttätigsten und asozialsten Elemente“ bedeutet. Auch die oppositionellen Sozialdemokraten setzten auf Totschlagargumente: Nur wer mit Ja stimme, unterstütze den Kampf gegen das Verbrechen, den Frauenhandel und die Jagd auf Pädophile.
Für wie dumm halten uns die Ja-Parteien, fragte angesichts eines solchen Kampagnenniveaus das liberale Ekstrabladet. Schließlich habe die Zusammenarbeit der dänischen Polizei mit der europäischen Polizeibehörde „Europol“ glänzend funktioniert. Warum sollte sie schlechter werden, wenn das so wie bisher weiter auf zwischenstaatlicher Ebene koordiniert werden würde? „Geschmacklos und verlogen“ sei die Ja-Kampagne und man wolle offenbar nur einschüchtern, kritisiert Pernille Skipper von der „Einheitsliste“.
„Passt auf, dass wir nicht wieder Nein sagen“, warnte Ekstrabladet. Tatsächlich ist der Vorsprung der Ja-Seite dahingeschmolzen und Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Während die 60plus-Generation vorwiegend Ja stimmen will, überwiegt bei den unter 35-Jährigen die Nein-Fraktion.
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