Digitalausbau in Deutschland: Neuland für Berliner Schulen
Der Berliner Senat hat die drängenden Probleme erkannt und stattet Schulen mit mobilen WLAN-Routern aus. Das ist gelebter Pragmatismus in der Digitalwüste.
Wer sich mit der Digitalisierung an Schulen beschäftigt, ist abgebrüht. Dass viele Lehrer:innen bis vor Kurzem keine Schul-E-Mail-Adressen hatten, digitale Kompetenzen im Lehramtsstudium keine Rolle spielen oder aktuell die Lernplattformen abkacken, das ist alles bedenklich. Aber auch nichts, worüber man sich wundern würde.
Doch manchmal schaffen es die Verantwortlichen in den Kultusministerien, selbst hartgesottene Beobachter:innen zu überraschen. So wie aktuell der Berliner Senat. Im März des Jahres 2021 – nach über einem Jahr Corona und den schonungslosen Einblicken in die „digitalen“ Klassenzimmer im Land – kommt er auf folgende Idee: mobile Router könnten für schnelles Internet an Schulen sorgen.
Das, berichtet die Senatsverwaltung am Mittwoch, habe sie in einem Rundschreiben Anfang der Woche den Berliner Schulen mitgeteilt. Bis Freitag sollen die Schulleiter:innen ihren Bedarf angeben. Natürlich ist das Router-Angebot befristet, bis die Schulen irgendwann an die Wunderwaffe Breitband angebunden sind.
Zur Erinnerung: Genau dafür – schnelles Internet an den Schulen – wurde 2019 der Digitalpakt Schule verabschiedet. 5 Milliarden Euro hat der Bund lockergemacht. Doch aktuell wurden davon erst mickrige 112 Millionen abgerufen.
Krachendes Zeugnis für das Digitalisierungsversprechen
Denn: Die Anträge auf das Geld sind aufwendig, die Absprachen zwischen Schulen und deren Trägern mühsam und der Glasfaserausbau stockt seit Jahren. Und wenn wir schon beim Thema sind: Die Berliner Landesregierung hat 2016 versprochen, die 700 allgemeinbildenden Schulen ans Breitband anzuschließen. Der Auftrag dafür wird voraussichtlich Ende 2021 vergeben – nach über fünf Jahren.
So gesehen ist die „zügig realisierbare Zwischenlösung“ mit den WLAN-Routern zweierlei: ein krachendes Zeugnis für das Digitalisierungsversprechen im Bildungsbereich. Aber gleichzeitig auch Ausweis von sinnvollem Pragmatismus. Den hat der Berliner Senat übrigens schon häufiger bewiesen.
Als sich etwa abgezeichnet hat, dass die Lernplattform „Lernraum Berlin“ wirklich jedes Mal abschmiert, wenn sich viele Klassen gleichzeitig anmelden wollen, hat die Bildungssenatorin versprochen, auch die Kosten für einen privaten Anbieter zu übernehmen. Dass der Senat jetzt auf WLAN-Router umschwenkt, passt also ins Konzept. Verwunderlich bleibt allein, dass er das erst im März 2021 tut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist