Diese Woche in den Berliner Kinos: Unterirdische Geflechte
Annäherung zweier Generationen in „Come on, Come on“. Das Sputnik zeigt „Mariupolis“ des im Ukrainekrieg getöteten Filmemachers Mantas Kvedaravičius.
D er Radiojournalist Johnny (Joaquin Phoenix) aus New York reist mit einer Kollegin quer durch Amerika, stellt für seine Sendungen Kindern und Jugendlichen Fragen: Wie stellst du dir die Zukunft vor? Was macht dir Angst, und was macht dich wütend? Fühlst du dich einsam?
In seinem privaten Leben hat Johnny mit Kindern nur wenig zu tun, was sich allerdings ändert, als er sich seiner Schwester Viv als zeitweilige Betreuung für deren neunjährigen Sohn Jesse (Woody Norman) anbietet.
Doch wie nun umgehen mit dieser radikal ehrlichen und manchmal leicht versponnenen kleinen Persönlichkeit? Johnny steht in „Come On, Come On“ vor einem Lernprozess und einer Annäherung an den Jungen, bei der sich seine Standardfragen letztlich auch ihm selbst stellen werden. Regisseur Mike Mills bezog die Inspiration für seinen Film aus Gesprächen mit seinem eigenen Sohn und zeigt einmal mehr sein Talent, persönliche Erlebnisse in einen größeren, allgemeingültigen Zusammenhang zu überführen.
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Einmal erzählt Jesse von Bäumen, die durch unterirdische Pilzgeflechte miteinander in Beziehung stehen und auf diese Weise voneinander Nährstoffe erhalten: ein perfektes Gleichnis für die Filme von Mike Mills, wo immer alles mit allem in Verbindung steht – die Familie, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft (in diversen Kinos, darunter Wolf Kino: 14.-20.4., 16.20 Uhr; Filmtheater am Friedrichshain: 14.-20.4., 20.50 Uhr; Zukunft: 14.-20.4., 22 Uhr).
Voller Abgründe
„La Vénus à la fourrure“ (2013) ist Roman Polanskis Verfilmung eines Zwei-Personen-Bühnenstückes von David Ives: Der Theaterregisseur Thomas Novacek (Mathieu Amalric, der hier nicht nur aufgrund seiner Frisur eine verblüffende Polanski-Ähnlichkeit erzielt) will seine Bearbeitung von Leopold von Sacher-Masochs 1870 erschienener Novelle „Venus im Pelz“ auf die Bühne bringen und veranstaltet deshalb ein Casting. Zu selbigem erscheint die anfangs dumm und vulgär wirkende Schauspielerin Vanda (Emanuelle Seigner), die sich bei den ersten Proben jedoch perfekt in die distinguierte Wanda der Sacher-Masoch-Bearbeitung verwandelt – und sich schließlich als die titelgebende Göttin mit einer feministischen Racheagenda erweist.
Sie lockt Thomas in die erotischen Abgründe seiner uneingestandenen Fantasien, wobei sich die Machtverhältnisse zwischen Regisseur und Aktrice ständig auf subtile Weise ändern. Wer dabei in welcher Rolle oder Eigenschaft gerade welche Dialoge spricht, wird schließlich immer unklarer.
Die Doppelbödigkeit der verschiedenen Rollenspiele sorgt für eine hochamüsante Komik, aber dass das Spiel um Geschlechterrollen nicht einfach nur ein Witz ist, macht „Venus im Pelz“ mit einem absurden Finale dann doch noch klar: Mit Göttinnen ist nicht zu spaßen (17.4., 20 Uhr, Arsenal 1).
In Gedenken an Mantas Kvedaravičius
Aus bitterem Anlass zeigt das Sputnik-Kino den Dokumentarfilm „Mariupolis“ (2016) des litauischen Dokumentarfilmregisseurs Mantas Kvedaravičius, der Berichten zufolge bei einem Raketenangriff im ukrainischen Mariupol getötet wurde. In seinem Film hatte er von früheren Angriffen russischer Separatisten auf die Stadt berichtet und war auch jetzt wieder zu Dreharbeiten unterwegs gewesen.
Kvedaravičius war ein international bekannter Filmemacher, der bei der Berlinale 2011 für seinen Film „Barzakh“, in dem er dem Schicksal von Folteropfern in Tschetschenien nachging, mit dem Amnesty-International-Filmpreis ausgezeichnet worden war (OmeU, 15.4., 18 Uhr, Sputnik Kino).
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