Dienstrad-Leasing: Radlos trotz Versicherung
Etwa zwei Millionen Deutsche nutzen Dienstrad-Leasing. Was viele nicht wissen: Wenn das Rad geklaut wird, wird es trotz Versicherung teuer.

Das Fahrrad stand fest angeschlossen mit einem 100-Euro-Schloss in einem videoüberwachten Fahrradparkhaus in Berlin. Zugang erhält man nur durch ein Drehkreuz, bei dem man 1 Euro Gebühr bezahlen muss. Sicherer geht es kaum – dennoch wurde einer taz-Redakteurin ihr geleastes Dienstrad aus jenem Parkhaus gestohlen.
Anbieter wie JobRad oder Bikeleasing machen mit einem Leasingmodell Fahrräder zu Diensträdern. Bis zu 40 Prozent sollen die Leasingnehmer:innen dadurch im Vergleich zum Kauf sparen. Der Arbeitgeber least das Rad meist für 36 Monate und stellt es den Angestellten zur Verfügung.
Sind die Raten abbezahlt, kann das Rad übernommen oder ein neues geleast werden. Genutzt werden darf es überall und auch die Art des Rads ist frei wählbar. „Aktuell nutzen fast zwei Millionen Menschen in Deutschland bereits ein Dienstrad“, sagt Johannes Wallat, stellvertretender Pressesprecher des ADFC, der taz.
Nicht nur in Berlin passiert es regelmäßig, dass auch gut abgesicherte Fahrräder geklaut werden. Für die taz-Redakteurin war klar: Ohne gute Diebstahl-Versicherung ergibt es keinen Sinn, ein teures Fahrrad zu leasen. Bei Abschluss eines Leasing-Vertrags mit JobRad waren ihr die Versicherungsverhältnisse allerdings nicht klar.
Leasing ist kein Ratenkauf
In den FAQ des Anbieters heißt es auf die Frage „Ist mein JobRad versichert?“: „Ja! Jedes JobRad ist durch die JobRad-Vollkaskoversicherung inkl. Mobilitätsgarantie geschützt.“ Die bedeutet jedoch nicht, dass die Leasingnehmer:innen bei Diebstahl ihr eingezahltes Geld zurückerhalten. Ihnen wird nur die Hälfte der geleisteten Raten angerechnet, wenn sie einen neuen Leasingvertrag abschließen. Nach dieser Information muss man jedoch etwas suchen.
Diskussionen in Online-Foren, wie dem pedelecforum oder radforum, weisen darauf hin, dass die taz-Redakteurin kein Einzelfall ist. Von Fahraddiebstahl betroffene verschiedener Leasinganbieter suchen dort verwirrt nach Hilfe. Viele von ihnen verstehen Leasing als Ratenkauf.
Doch beim Leasing zahlt man für die Nutzung, nicht für den Erwerb des Produkts. Der Leasinggeber behält dabei die Rechte und bleibt Eigentümer. Die Versicherungsleistung geht daher an den Leasinggeber, nicht an die Leasingnehmer:innen. Für diese bedeutet der Versicherungsschutz somit nur, dass sie dem Leasinggeber nichts schulden. Vielen ist das nicht klar.
Verbraucherzentrale sieht Aufklärungspflicht beim Arbeitgeber
„Unkenntnis schützt ja nicht“, sagt Elke Weidenbach, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW, auf Nachfrage, ob das Problem bekannt ist. Es liege nicht in der Verantwortung der von Leasinggebern wie JobRad, die Leasingnehmer:innen über die Versicherungsleistungen aufzuklären. Die Aufklärungspflicht liege beim Arbeitgeber, der die Verträge aufsetzt und die rechtlichen Bedingungen erklären sollte.
Auch JobRad selbst verteidigt sich. „Wir informieren unsere JobRadler:innen im Vorfeld des Vertragsabschlusses ausführlich darüber, welche Versicherungsleistungen bei Diebstahl greifen.“ erklärt Pressesprecherin Claudia Sedelmeier der taz.
Ob sich ein Fahrradleasing für Arbeitnehmer:innen generell lohnt, „hängt von individuellen Faktoren ab: Einkommen, Steuerklasse, Kinder“, sagt Sara Tsudome, Leiterin des ADFC-Projekts Fahrradfreundlicher Arbeitgeber. Auf den Webseiten der meisten Leasinganbieter gebe es dafür Rechner.
Was es finanziell bedeutet, wenn das Leasingrad geklaut wird, lässt sich dort nicht errechnen. Das sollten Interessent:innen jedoch bedenken, um am Ende nicht, wie die bestohlene taz-Redakteurin, unerwartet Verlust zu machen.
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