Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Brücken der Bahn sind marode, Ungarn und die Slowakei flüchtlingsunwillig und der Anwalt von Jan Böhmermann ist publicitywütig.

Eine Regionalbahn fährt in Stuttgart über eine Eisenbahnbrücke

Das Ansehen deutscher Ingenieurskunst ist ungefähr so alt wie die Brücken Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Dieses endlose Déjà-vu des 2013er Wahlkampfes mäandert durch die Tage.

Was wird besser in dieser?

Andrea-Nahles-Kampagne 2021 hat begonnen.

1.100 von gut 25.000 Bahnbrücken in Deutschland sind so marode, dass sie eigentlich abgerissen werden müssten. Waren wir nicht mal dieses Land der Power-Ingenieure und Super-Infrastruktur?

Über sieben Brücken musst Du gehn, und über die anderen fährst Du auch lieber langsam. Die Grünen haben sich das aus 16 „Kleinen Anfragen“ zusammengepuzzelt – offenbar gibt es keine amtliche Statistik dazu. Wenn das der Lokführer wüsste. Dann könnte er es Minister Dobrindt verraten. Das Ansehen deutscher Ingenieurskunst ist ungefähr so alt wie die Brücken – fast die Hälfte hat über 80 Jahre auf den Säulen. Sprich: Gegen die aktuelle Verkehrspolitik war Kaiser Wilhelm ein Neuerer. Das soll die grüne Initiative wohl auch sagen: Die populäre Autobahnbrücken-Diskussion ist etwas für Leute, die den Zug verpasst haben. Die SPD glaubte ja auch neulich noch an Steinbrück.

Apropos: Läuft nicht. StudiVZ ist bankrott. Was machen Sie jetzt mit Ihrem Profil?

Gab’s das noch? Man könnte es jetzt in „Christian-Lindner-Digitaldenkmal“ umbenennen, denn seine Wagniskultur fand hier zu früher Blüte: 2007 hatte der Holtzbrinck-Verlag das mäßig durchschaubare Facebook-Derivat für 85 Mio € erworben. Letztlich haben also Zeit-Leser und Tagesspiegel-Redakteure den Spaß mitfinanziert. Immer noch besser als Steuerzahler, der bei Lindners Firma zulegte. Und stets bezahlt man einfach mit seinem guten Namen, also der Kernwert beim Weiterverkauf dürften die Daten der Nutzer gewesen sein. Wie VZ sich mit Facebook außergerichtlich einigte; was Holtzbrinck am Ende für das Datengerümpel noch herausbekam: Gut, dass man heutzutage noch etwas geheim halten kann.

Ungarn sollte 1.294, die Slowakei 802 Flüchtlinge aufnehmen. So hatte es der EU-Rat beschlossen. Beide Länder klagten vor dem Europäischen Gerichtshof – und verloren. Was machen wir, wenn sich die Länder nun nicht an die Entscheidung halten? Und kann man es eigentlich einem Geflüchteten zumuten, in Viktor Orbáns Ungarn zu ziehen?

Klar. Orbán ist nicht Ungarn, sein Referendum gegen die EU-Flüchtlingspolitik scheiterte vergangenen Oktober an der Mehrheit, die nicht hinging. Politisch hat Orbán stärkere Hebel: Ein Vertragsverletzungsverfahren wird langwierig. Mögliche Geldstrafen will er, bereits angekündigt, gegen die Kosten seines Grenzzaunes rechnen. Ein Stimmrechtsentzug wäre noch komplizierter und Nahrung für Orbáns Spiel mit dem Minderwertigkeitsgefühl einiger Landsleute. Die EU könnte als moralischer Sieger vom Platz gehen. Dumm nur, dass sie der Platz ist.

Eigentlich wollte Katalonien am 1. Oktober über seine Unabhängigkeit abstimmen. Doch das Verfassungsgericht Spaniens hat die Abstimmung erst mal gestoppt. Warum sind eigentlich so vielen hierzulande die Separatismusbestrebungen in Katalonien, Schottland oder sonst wo so sympathisch?

Es gibt ein Menschenrecht, das Gemeinwesen, in dem man lebt, noch leidlich begreifen zu können. Na ja, sollte es geben.

Jan Böhmermann will – womöglich – die Kanzlerin verklagen, weil diese sich durch ihre Äußerung, Böhmermanns Schmähgedicht auf Erdoğan sei „bewusst verletzend“, vorverurteilend geäußert habe. Droht Böhmermann nur mit einer Klage, damit wir jetzt darüber reden oder sollte die Kanzlerin tatsächlich in ihre Schranken verwiesen werden?

Der Name von Böhmermanns Anwalt, Christian Scherz, sollte auch einfach öfter in der Zeitung stehen. Christian Scherz, Christian Scherz. Ansonsten hat Merkel sich bereits im April bezichtigt, „einen Fehler gemacht“ zu haben und bekannt, sie „ärgere sich darüber“, das Gedicht „bewusst verletzend genannt zu haben“. Christian Scherz könnte jetzt also klagen, dass er, Christian Scherz, Merkel auffordere, ihm, Christian Scherz, zu sagen, was sie allen – unter anderem auch Christian Scherz – längst gesagt hat. Übrigens interessant, ob Merkel das Werk „persönlich bewusst verletzend“ oder „bewusst persönlich verletzend“ genannt hat. Oder welche türkische Übersetzung an Davutoğlus Ohr drang. Der ist längst gefeuert. Christian Scherz.

AfD-Spitzenfrau Alice Weidel ist aus einer ZDF-Sendung einfach abgehauen. Billige Wolfgang-Bosbach-Kopie, steckt mehr dahinter?

Do the WoBo. Mählich stellt sich die Frage an Journalisten, mal ein beknacktes Interview abzubrechen oder diskursunfähige Gäste rauszuschmeißen.

Facebook hat nun bekannt gegeben, dass die US-Wahl womöglich durch Anzeigen beeinflusst worden sei, die auf ihren Seiten liefen, aber von Russland aus geschaltet worden seien. Wie viel ist eine Demokratie eigentlich noch wert, wenn sich deren Wahlen durch ein paar Facebook-Anzeigen beeinflussen lassen?

Hübsch die Begrifflichkeit „Informations-Operationen“, die Facebook verwendet. Die „smoking gun“ liefern sie nicht; weder der direkte Bezug zwischen „irgendwie Russland“ und „konkret Kreml“. Noch der Link von den beharkten Adressen zum Datenbestand der Trump-Kampagne. Für ein Netzwerk, das Brüste in Sekundenschnelle löscht, schon sehr entspannt.

In der englischen Premier League wird das Transferfenster im kommenden Sommer vor Saisonstart schließen. Gut so?

Bayernboss Rummenigge bringt es auf den Punkt: „Es muss eine Harmonie eingeführt werden.“ Okay, damit bringt er sein Demokratieverständnis auf den Punkt, an dem Harmonie ein Machtakt ist. Zur Sache ist der Wortbeitrag eher wumpe, denn gefragte englische Spieler kann sonst eh keiner mehr bezahlen und den Ramschtisch kann man vorher abgrasen.

Und was machen die Borussen?

Sich Sorgen um Bayern. Können wir irgendwie helfen?

Fragen: jük

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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