Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Nordkorea wird Urlaubsdestination, der kölsche FC gibt sich possierlich und Kindermörder beklagen ihre Diskriminierung.

Menschen in grüner Schutzkleidung laufen durch eine graue Gerölllandschaft

Vorbereitung für die Mars-Expedition: Für den Fall, dass Nordkorea noch mehr Raketen abfeuert Foto: dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?

Keinerlei Feierlichkeiten zu „letzter Bundestag ohne Rechtsextremisten“.

Und was wird besser in dieser?

Entscheidung, wählen zu gehen.

Nordkorea schießt wieder eine Rakete über Japan, diesmal über die nördliche Insel Hokkaido. Naht die Zeit, einen neuen Planeten zu kolonialisieren?

Eine gute Alternative, verstrahlt zu werden. So arbeitet Tesla-Guru Elon Musk an einer Mars-Expedition für potente Passagiere um 2025. Wer es sich leisten kann, wird dank ungehemmter Weltraumstrahlung krebskrank ankommen auf einem unbewohnbaren Planeten. Unterm Strich eine Aufwertung für Nordkorea als Urlaubsdestination.

Das Europa-League-Spiel in London zwischen dem FC Arsenal und dem 1. FC Köln musste am Donnerstag um eine Stunde verschoben werden. Der Grund: Es waren einfach sehr viele Zuschauer aus Köln angereist. Die kölsche Begeisterung für den Europapokal kam aber auch überraschend, oder?

Wie DFB-Chef Grindel beim Thema Stadionverbot mutig weissagte: „In einem leeren Fanblock gibt es keine Ausschreitungen.“ In diese Logik fügt sich die Klimaanlagen-WM in Katar. Das Geprolle der Fans reicht von possierlich (Köln in London) bis ekelhaft (Nazis beim Tschechien-Spiel). Allen Beispielen gemein allerdings ist Brecht’sche Logik: „Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte sich ein anderes?“ Also – die Unterhaltungskonzerne der Fußballbranche bieten ihre Produkte bevorzugt zahlungskräftigen Premiumkunden an und finden die Schnorrer vom Stehplatz eher ärgerlich. Das „Wir von hier“-Ding ist tot. Der kölsche Klub ist mit zwei, drei gebürtigen Kölnern im Kader da eher noch altmodisch. Doch tendenziell finden Fans ihren Verein toll, weil er sie hat, die örtlichen Fans. Der Rest ist Söldnertruppe und Geschäftsmodell. Das kann den Fußballfirmen auf die Füße fallen, denn viele „anständige“ Fans kommen ins Stadion, um den „Unerwünschten“ bei Gesang und Mannbarkeitsritual zuzuschauen. Die Zuschauerzahl in der Fußballbundesliga ist rückläufig.

Diverse Wissenschaftler haben in einem offenen Brief gefordert, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht noch mehr, sondern im Gegenteil, weniger Beschränkungen im Netz unterworfen sein sollte. Außerdem wenden sie sich vom Sparen ab: „Der Auftrag bestimmt den Beitrag – nicht umgekehrt“, heißt es. Dürfen und bekommen ARD und ZDF zu wenig?

Na Dresche bekommen sie jedenfalls genug. Die Zeitungsverleger haben herausgefunden, dass an Leserschwund und Anzeigenverlust die „Tagesschau“-App schuld ist. Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) fordert deutliche Einschränkungen der Werbung und strikte Begrenzung der Mediatheken. Und das alles wird diskreditiert durch Wahlplakate von AfD und anderen, die das „Systemmedien“-Klischee reiten. Letzteres ist am leichtesten zu widerlegen – laut Programm will die AfD rein steuerfinanzierten und damit komplett parlamentshörigen ÖR. Frau Weidel könnte dann praktisch aus sich selbst rauslaufen. Die Zeitungsverleger erlegen Windmühle um Windmühle und buhlen, was die Fairness ihrer Argumentation angeht, um den Preis für die schlechteste Recherche aller Zeiten.

Den Paketdiensten fehlen Zusteller. Mehr als 5.000 Stellen sollen unbesetzt sein. Hmmm, woran könnte das nur liegen?

Der Auslieferungsfahrer ist ausgeliefert: dem Mindestlohn, der Sechs-Tage-Woche, auch Subunternehmern und stressigen Arbeitsbedingungen. Mit inzwischen 240.000 Beschäftigten scheint der Markt auch leergesogen. Besonders in Berlin fehlt auf den Benachrichtigungskärtchen die Option „hatte keinen Bock auf Treppen“, „hol dir den Krempel selber ab“ und „Schuhe sind überbewertet“.

Mit der neuen AppleWatch kann telefoniert werden. Freuen Sie sich auf die Zukunft, in der Sie mit den Kontaktlinsen Geld überweisen und mit der Sonnenbrille Ihr Auto starten können?

Ein beliebtes Sujet früherer Science Fiction war das fliegende Auto. Gibt es, will keiner. Nun also die „Beam me up, Scotty“-Uhr. Aus ganzheitlicher Sicht mag man begrüßen, wenn sich Menschen mit ihrem Handgelenk unterhalten. („Jede Zelle meines Körpers ist glücklich, du auch?“) So richtig brauchen tut man’s nicht.

AfD-Frontmann Alexander Gauland findet, dass die zwölf Jahre Weltkrieg „unsere Identität heute nicht mehr“ betreffen. In der selben Rede sagt er aber, dass wir das Recht hätten, „stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“. Erklären Sie uns bitte diese Dialektik.

Nee, fragen sie Martin Walser, der unter dem Jubel des Nationalfeuilletons „gegen die Dauerpräsentation unserer Schande“ sich wehrte und die „Moralkeule“ des Gedenkens an ­Auschwitz zurückwies. 1998. Irgendwann musste der Schwurbel ja mal beim rechten Empfänger landen. Für ein Land, das 400 Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg noch feine Spuren dieser Katastrophe in sich birgt – ist es schon verdammt mutig, 70 Jahre nach einem Epochenverbrechen nach der Tagesordnung zu fuchteln. Gauland hat was von einem Kindermörder, der nach sechs Monaten Haft wegen Diskriminierung klagt.

Erst melden sich nach der Insolvenz die Piloten krank, dann lassen sie und die Unternehmensmanager sich ihr auf nur 6.350 Euro gedeckeltes Gehalt, das im Moment die Bundesagentur für Arbeit zahlt, aufstocken: In Einzelfällen kriegen sie mehr als 10.000 Euro obendrauf. Ist das gerecht oder Gier?

Piloten ist nichts verboten. Betroffen sein werden allerdings eher Verwaltungspersonal und mindere Chargen – davon haben die Aasgeier Airlines selbst genug.

Und was machen die Borussen?

Fahren Sie mal mit einem Kölner Kennzeichen durch Dortmund am Tag des Spiels BVB–FC. Dann vergehen Ihnen solche Fragen!

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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