Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Wenn die SPD nicht sagt, was sie will, ist das unfair, denn dann weiß Angela Merkels Union nicht, was sie sich abgucken soll.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Peer Steinbrück findet Martin Schulz’ Wahlkampagne schlecht.
Und was wird besser in dieser?
Muss doch mehr dran sein an Schulz’ Kampagne, als man denkt.
Die SPD hat endlich ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl vorgestellt – allerdings unvollständig. Bei den Themen Renten und Steuern bleibt es vage. Nicht so schlimm, weil unwichtig?
Der Claim „Irgendwas mit mehr Zeit für Gerechtigkeit oder so“ irrlichtert zwischen Frauenzeitschrift an Rooibos-Tee und Wellness-Sozialismus. Dahinter bleibt unklar, ob die SPD die beiden großen Aufgabengebiete „gerechtere Steuern“ und „Reparatur der paritätischen Sozialversicherung“ angehen will. Das ist unverantwortlich, denn wenn die Grunge-Band SPD nicht sagt, was sie spielen wollen, kann die Merkel-CDU kein Helene-Fischer-Cover davon raushauen und gewinnen.
Die Union hingegen will Anfang Juli ihr Programm vorlegen, erklärt aber jetzt schon, die Steuern senken zu wollen. Überrascht?
Enttäuscht, vorneweg von Wolfgang Schäuble, leider. Wenn es denn so ist, dass wir ein Rekordhoch an Staatseinnahmen und Überschüssen haben: Wann würden Sie Schulden zurückzahlen? Das wäre unpopulär, klar, weil’s den Goldregen an die Wählerinnen und Wähler kurzfristig mindert. Langfristig verlängert man die Abhängigkeit vom Finanzmarkt. Vulgo: Damit auch die kriminellste Bank morgen noch „systemrelevant“ ist. Wenn du eine Bank wirklich ärgern willst, überfalle sie nicht einfach. Mach sie fertig, bezahl deine Schulden.
Beim Treffen mit EU-Spitzenpolitikern in Brüssel soll Donald Trump die Deutschen „böse, sehr böse“ genannt haben (Welt/Spiegel Online), beziehungsweise „schrecklich“ (ZDF) oder wahlweise auch „sehr, sehr schlecht“ (SZ). Wie schrecklich böse sind wir denn nun? Und ist das schlecht?
„Schlecht“ kann man sein, „böse“ muss man sein wollen, und „schrecklich“ klingt manchem als Kompliment. Ganz sicher benutzt Trump einen restringierten Code, oder sagen wir mal: Sein aktiver Wortschatz wetteifert mit der Zahl seiner Echthaare. So können wir uns der Gegenfrage zuwenden: Was Trump da bei der EU verzapft hat, war Einschleimen? Zündeln? Kampfarschkriechen? Or to keep it simple: He knows how to fuck EU.
In Berlinund Wittenberg war Evangelischer Kirchentag. Da gab es auch eine Diskussion mit der AfD-Politikerin Anette Schultner: AfD und Christentum – passt das? Und woran glauben Sie?
Das Wahlprogramm der AfD enthält kein Kirchen-Kapitel, hingegen eines mit der Überschrift „Der Islam im Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Immer schomma gut, wenn man weiß, wogegen man so sein könnte. Beim Kölner Parteitag unterlag ein Antrag gegen staatlichen Kirchensteuereinzug, andere AfDler schmücken Kernsätze mit der Selbstheiligungsfloskel „mit Gottes Hilfe“. Heißt grob: Gott ist eher so für Deutschland, Allah eher dagegen. Doch auch aus manch protestantischer Sandale öhmt einem der Übelgeruch der Hoffart entgegen. Man hört den Kernsatz der Selbsttollfinde-Ökumene vom „Islam, der die Aufklärung noch vor sich hat“. Da rempelt Gymnasiast Gott den Hauptschüler Allah unter beifälligem Gefrömmel seiner Gang. Deshalb sollen sie gern miteinander reden, Hauptsache: Man ist sich einig im Kampf gegen den Judenhasser Luther.
Deniz Yücel sitzt seit mehr als 100 Tagen in Haft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte will seinen Fall jetzt „vorrangig behandeln“. Kann Angela Merkel die lästige Geschichte jetzt von ihrer To-do-Liste streichen?
Merkel hat nicht vergessen, wie Erdoğan dem konservativen holländischen Kollegen Rutte die Wahl gewann. Vorbeugende Statements wie „Referendum zur Todesstrafe kommt nicht in Frage“ kann man so lesen: Möge Erdoğan doch auch ihr den nützlichen Idioten machen und gegen September Maßflanken der Eskalation in den Strafraum schlenzen. Deswegen wünsche ich Deniz Yücel, dass irgendwer in der EU so dreist ist, den Korb Pressefreiheit der EU-Beitrittsverhandlungen offensiv zur Verhandlung anzubieten
Undwas machen die Borussen nach dem gewonnenen DFB-Pokalfinale?
Eine Ehrenrunde Sonntag gegen 15 Uhr über ganz Dortmund, wo unter anderem auch alle flugrechtlichen Regelungen für den Mannschaftsjet ausgesetzt scheinen. Kondensstreifen ohne Pyro und irgendwie hat Tuchel Watzkes Einladung widerstanden, im Landeanflug als Erster rauszuspringen.
FRAGEN: MBRS, PWE
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin