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Die WahrheitDie Zeugenaussage

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Hier darf sich die Leserschaft erfreuen an einem Poem über einen widersprüchlichen Berichterstatter.

Foto: Imago / Matthias Stolt

In einer Cocktailbar in Dortmund

– es mag auch Kiel gewesen sein –

da gab ein Hesse jüngst vor Ort kund,

er trinke nur noch Apfelwein.

Pardon. Die Sache war in Mannheim,

ich glaub, es war auch keine Bar,

und langsam dämmert mir, es kann sein,

dass dieser Kerl kein Hesse war.

Na klar! Es war beim Pizza-Essen,

und dieser Hesse war ’ne Frau,

und diese Frau war nicht aus Hessen,

die war aus Oberammergau.

Mit Essen, denk ich, lieg ich richtig,

doch Pizza? Pizza eher nicht.

Da fällt mir ein, und das ist wichtig:

Es gab ein indisches Gericht.

Es war, mein ich, auch keine Dame,

es war ein Gartenbauverein,

der machte für Salat Reklame,

und niemand sprach von Apfelwein.

Obwohl – das ’nen Verein zu nennen,

das trifft es reichlich ungenau,

und schließlich muss ich noch bekennen,

war’s kein Verein für Gartenbau.

Es war vielmehr ein Deutscher Meister

im Herreneinzelfallschirmsprung,

ein Alexander, na, wie heißt er?,

ein Achim oder Carsten Jung.

Moment, ich muss mich korrigieren,

mir ist der Nachname nicht klar,

ich möchte hier nicht spekulieren –

ob der mal Deutscher Meister war?

Das würd ich nicht per Eid erklären …

Wie, Auslagen? Da fiel nichts an.

Nein, ich verzichte, Euer Ehren,

ich helfe gern und wo ich kann.

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6 Kommentare

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  • Bist du Zeuge vor Gericht,



    fällt es durchaus ins Gewicht,



    wenn du nicht die Wahrheit sprichst.

    Ein Richter ist sogar verstimmt



    wenn er im Prozess vernimmt,



    dass die Aussage nicht stimmt.

    Es kann die Zukunft dir verderben,



    wenn Lügen zerfallen zu Scherben



    und der Zeugen- zum Feuerstuhl werden.

    Motto: Ich lüge nicht, ich erfinde nur



    die Wahrheit, die ich brauche.

  • DAS GEHIRN SPEICHERT DIE BILDER



    ALS ERINNERUNG MANCHMAL WILDER



    /



    Das taz-Gedicht trifft ohne Frage



    Das, was ist oft des Pudels Kern:



    Der Inhalt der Zeugen-Aussage,



    Wenn der Vorgang ist zeitlich fern:



    /



    Das Gehirn ist keine Festplatte,



    Erinnerung verschwimmt sogar,



    Was man bis gestern präsent hatte,



    Ist morgen vielleicht nicht mehr klar.



    /



    So kommt es, dass Gedanken schweifen,



    Es regt sich hier viel Fantasie,



    Statt abzurunden, auszureifen,



    Verirren und verwirren sie.



    /



    Das Gehirn baut sich so ein Bild,



    Das ihm plausibel dann erscheint.



    Ob das "in Wahrheit" auch so gilt,



    Wenn es das Puzzle nur vereint?



    /



    Man sieht's bisweilen später dann,



    Durch einen Aussagenabgleich,



    Wenn durch Bilder man sehen kann:



    Die Faktenlage war doch "weich".



    /



    So war ich selbst doch reichlich froh,



    Dass neulich ich bei einem Fall,



    Unterstützt wurde nämlich so:



    Der Platz war nämlich überall



    Von Kameras schon überwacht,



    Zum Schutze dortiger Passanten,



    Bei Tage und auch bei der Nacht,



    Damit Täter, die dort wegrannten,



    Werden durch Bilder klar erkannt,



    Was bei Gericht ist ein Beweis,



    Als Aussage nicht volatil,



    Sodass ich nun darüber weiß:



    Die Faktenlage bleibt stabil.



    /



    September 2025, MR

  • Warum die Dinge durcheinander sind

    .



    Es war eine gelbe Zitrone,



    Die lag unter einer Kanone,



    Und deshalb bildete sie sich ein,



    Eine Kanonenkugel zu sein.







    Der Kanonier im ersten Glied,



    Der merkte aber den Unterschied.







    Bemerkt sei noch in diesem Lied,



    Ein Unterschied ist kein Oberschied.







    Joachim Ringelnatz

  • "...Es gab ein indisches Gericht"



    Gericht? Kür und Pflicht



    verträgt sich nicht

  • Das hohe Lied der Ausrede,



    Dass ich das noch erlebe...

  • Der Verwirrung oder Lüge des Zeugen



    kann auch KI noch nicht vorbeugen.



    Im Rausch ist die Erinnerung ein Irrgarten.



    Aufs Nüchternsein muss Mancher lange warten.