Die Wahrheit: Hitlers afrikanische Freunde
Auf dem schwarzen Kontinent treffen Reisende aus unseren Breitengraden auf eine grenzenlose Liebe zum Deutschen in seiner bekanntesten Verkörperung.
W ir sind ein bisschen nervös, als wir in Johannesburg landen. Südafrika hat ein ernstes Kriminalitätsproblem, und „Joburg“ ist der Hotspot. Der schwarze Taxifahrer, der uns zu unserer Unterkunft bringt, ist so absurd freundlich, dass wir als Berliner sofort eine Falle wittern. Wer dermaßen gut gelaunt ist, will einen doch abmurksen! Am Ende stellt mein älterer Sohn fest, dass er im ganzen Jahr in Berlin mit noch keinem Fremden so viel Smalltalk hatte wie heute allein mit Alfred, unserem Fahrer.
Aber was heißt schon Smalltalk? Als wir gleich zu Beginn beichten, dass wir aus Deutschland kommen, ist die Freude zu unserer Überraschung groß: Wir, die Deutschen, hätten die Juden ja damals in ihre Grenzen gewiesen. Man sähe ja heute in Gaza, was dabei rauskommt, wenn man das nicht mache. Die Israelis hätten die Palästinenser überfallen und verübten nun einen Genozid an ihnen.
Das sehe ich nicht so, erwidere ich. Ich halte die aktuelle Kriegsführung der israelischen Regierung zwar für falsch, aber ursächlich sei die Hamas, und ein Genozid sei ohnehin etwas anderes. Das könne er uns als Deutschen ruhig glauben, wir haben da schließlich Expertise.
Mag sein, lacht Alfred, besser wäre ohnehin, es würden sich alle da vertragen. Und klar, vielleicht seien wir als Deutsche in der Frage einfach ein bisschen gehemmt. Kein Problem, er mag uns trotzdem. Schließlich könne Trump die Europäer und besonders die Deutschen auch nicht leiden, das hätten wir mit den Südafrikanern gemeinsam. Dadurch seien wir jetzt sozusagen gute Freunde und in Südafrika herzlich willkommen.
Später im Kruger-Park spricht uns eine südafrikanische weiße Frau an. Wir seien aus Deutschland? Wie schön! Sie sei nämlich ein großer Fan von Hitler. Man müsse sich Südafrika ja nur mal anschauen heute, da könnte man so jemanden wie Hitler jetzt gut gebrauchen. Deswegen seien wir als Deutsche hier sehr willkommen! Allmählich bekomme ich eine Ahnung davon, warum das Ansehen der Deutschen bei Umfragen in aller Welt immer so erstaunlich hoch ist.
Nur die Sache mit den regenerativen Energien, ergänzt die Frau, die sei ein Irrweg. Sie hätten deswegen in Südafrika dauernd Blackouts, und wir würden die in Deutschland jetzt auch bald bekommen. Da könnten wir einen neuen Hitler ganz gut gebrauchen, der würde Schluss machen mit den Windrädern.
Nein danke, erwidern wir, wir haben ja schon Merz. Der reicht uns völlig. Man muss es ja nicht gleich übertreiben. Und wir finden Windräder eigentlich ziemlich gut. Die Frau schaut uns bestürzt an. Deswegen könne Trump uns Deutsche auch nicht leiden, sagt sie nun, genau wie die Südafrikaner. Aber das würde sich schon einrenken, schließlich hätten wir ja mal Hitler gehabt, das sei zum Glück schließlich noch nicht vergessen.
Erinnerungskultur – es kommt halt doch letztlich schon auch drauf an, was man draus macht.
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