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Die WahrheitC-Bombe im Parlament

Neues aus Neuseeland: Der schöne Begriff „Cunt“ kann nicht nur die Vulva meinen, sondern auch hinterfotzige Kerle in der Politik bezeichnen.

A ußer den Nationalwahlen gibt es kein größeres Ereignis im neuseeländischen Staatskalender als den alljährlichen Tag der Haushaltsverkündung. Letzten Donnerstag wurde wieder „the budget“ verabschiedet. Kommentare und Radiodiskussionen laufen noch immer heiß. Keine Sorge, dies wird kein langweiliger Wirtschaftsüberblick. Warnung: Gleich wird’s deftig!

Was nach Bruttosozialprodukt und Sparmaßnahmen in Krawattenkulisse klingt, war ein heißblütiges Dramolett in vielen Akten, aufgeführt in Wellington und dominiert von einem furchterregenden Wort: „cunt“. Das heißt übersetzt – pardon my French – „Fotze“, wird aber auf Englisch auch für Männer verwendet im Sinne von „hinterfotziges Arschloch“. Soviel zur Linguistik.

Hier dürfen wir das C-Wort schamlos drucken, aber nicht in Neuseelands vornehmen Medien. Daher tauchte es nur als „c …“ in der Sonntagskolumne einer preisgekrönten Politikjournalistin auf, die damit Finanzministerin Nicola Willis abstrafte. Denn die Konservative hatte vor dem Budget-Tag legislative Maßnahmen abgeschmettert, die 150.000 Frauen in Niedriglohnberufen geholfen hätten.

Damit begann der Streit – nicht um den Gender-Pay-Gap, also die Ungerechtigkeit gegenüber unterbezahlten Krankenschwestern oder Lehrerinnen, denen gutbezahlte Frauen in Spitzenpositionen wie Willis gerade in den Rücken fallen. Sondern vor allem um das unflätige Wort an sich. So mutierte die Attacke zur Ablenkung vom eigentlichen Skandal. Die C-Bombe zündete fehl.

Feministinnen waren sauer, dass ein kostbares Körperteil in den Dreck gezogen wurde. Und im Parlament regten sich ausgerechnet die neoliberalen „Free Speech“-Verteidiger über die Majestätsbeleidigung einer Ministerin auf. Was dann wiederum den Streit entfachte, ob das C-Wort überhaupt in den heiligen Hallen fallen dürfe. Es war – excuse my French again – eine einzige Shitshow. Helen Clark, ehemalige Premierministerin und altehrwürdige Sozialdemokratin, hatte kurz zuvor auf X behauptet, Neuseeland habe eine „MAGA-ähnliche Regierung“, die ökonomische Eliten bevorzugt und Schwache benachteiligt – vor allem die indigene Bevölkerung. Im November ging bereits der feurige Haka um die Welt, den die Maori-Politikerin Hana-Rawhiti Maipi-Clarke aus Protest im Parlament hinlegte.

Die Disziplinarmaßnahme gegen die lautstarke Kämpferin sollte vorige Woche vor dem Budget-Tag beschlossen werden. Als die Diskussion um die Abstrafung begann, wurde mal wieder Kiwi-Trump-Verschnitt Winston Peters auffällig. Der stellvertretende Premierminister frotzelte, ob er denn durch mehr Sonnenbräune „maorifiziert“ werden könne.

Der rassistische Fauxpas brachte ihm den spontanen Rauswurf aus der Sitzung ein. Peters wurde des Saales verwiesen und die restliche Haka-Debatte dann auf die kommende Woche verlegt, bis sich Münder und Gemüter beruhigt haben. Theater, Theater!

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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4 Kommentare

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  • Da war ein Vogel beim sehr großen Arno Schmidt schon schlauer:

    „Rabe (behaglich): Bloody Cunt! Fucking Krauts!”

    (Aus: Arno Schmidt: Eberhard Schlotter: Das Zweite Programm. In: Arno Schmidt: Bargfelder Ausgabe, Werkgruppe II. Dialoge, Bd. 3. Zürich 1991, S. 5-29, hier S. 16)

  • Comedians sprechen es sogar auf der Bühne aus.



    Oder vielleicht sind es doch Philosophiejünger und sie meinen den Königsberger.



    Wieder von Wörtern zu Inhalten?

  • "...wird aber auf Englisch auch für Männer verwendet im Sinne von „hinterfotziges Arschloch“. "

    In Australien und Neuseeland, aber in den USA oder Kanada ist dieses Wort ungefähr das schlimmste nach dem N-Wort.

  • "– pardon my French –" ist das Highlight des Tages!



    Ein großes Dankeschön dafür - Anke Richter 💐😇💐