Die Wahrheit: Mit einem Hundertjährigen im Bett
In einem äußerst schwerwiegenden Fall von Diebstahl und Betrug fügt eine Rentnerin dem irischen Staat vorsätzlich einen großen Schaden zu.
W enn man den Staat betrügt, was in Irland eine Art Nationalsport ist, sollte man sich nicht zu dumm anstellen. Das hatte die 73-jährige Margaret Bergin nicht bedacht. Deshalb muss sie nun für zwei Jahre ins Gefängnis. Sie hatte 28 Jahre lang die Rente ihres verstorbenen Schwiegervaters kassiert. Über diesen Zeitraum kamen 271.000 Euro zusammen.
Sie flog auf, als ein Gerontologe 2022 Nachforschungen über einen 110-jährigen Mann anstellte. Er war überrascht, dass er noch nie von ihm gehört hatte. Er kontaktierte das Ministerium für Soziales, wo man beschloss, dem Greis einen Besuch abzustatten. Die Beamten wurden im April 2022 jedoch nicht zu John Bergin vorgelassen, weil die Schwiegertochter behauptete, dass er niemanden empfangen könne.
Das war zwar nicht gelogen, aber die Beamten waren hartnäckig. Als man sie schließlich ins Haus ließ, fanden sie einen wesentlich jüngeren Mann, der bekleidet und mit Straßenschuhen im Bett lag und keinerlei Ähnlichkeit mit John Bergin aufwies. Der lag nämlich auf dem benachbarten Friedhof im Familiengrab mit seiner Frau, wie die Grabinschrift verriet.
Margaret Bergin gestand, dass der Mann im Bett ihr Gatte Seamus gewesen sei, er aber keine Ahnung von ihrem Betrug hatte. Er habe sich auch nicht über die Sondermünze und die Urkunde gewundert, die der irische Präsident jedem Hundertjährigen zukommen lässt. Richter Keenan Johnson glaubte ihr kein Wort – schon gar nicht, dass sie in die Sache „hineingeschlittert“ sei.
Es handle sich um einen „äußerst schwerwiegenden Fall von Diebstahl und Betrug, der dem Staat einen großen Schaden zugefügt“ habe, und zwar eindeutig vorsätzlich. Schließlich habe die Angeklagte ihren Schwiegervater heimlich beerdigt. Aber sie war so dumm, seinen Namen und das Sterbedatum auf den Grabstein gravieren zu lassen.
Erschwerend komme hinzu, dass Bergin den Ruf des Sozialsystems untergraben habe, indem sie dessen Schwachstellen aufgedeckt und andere möglicherweise zur Nachahmung verleitet habe. Der Richter war erleichtert, als man ihm versicherte, dass das Ministerium seit Bekanntwerden des Falls strengere Kontrollen eingeführt hat, insbesondere bei Menschen, die über 90 Jahre alt sind.
Margaret Bergin hatte freiwillig 35.000 Euro zurückgezahlt, doch der Richter hielt das für nicht ausreichend. Ihr Verteidiger teilte dem Gericht daraufhin mit, dass seine Mandantin bereit sei, noch mal 40.000 Euro draufzulegen. Den Rest wolle sie mit 50 Euro pro Woche von ihrer Rente abstottern.
Es würde mehr als 75 Jahre dauern, bis die Restschuld abgetragen wäre. Margaret Bergin wäre dann 148 Jahre alt. Wenn ihre Kinder und Enkelkinder ihre kriminelle Energie geerbt haben, könnten sie bis dahin ihre Rente kassieren. Sie wissen ja nun, welche Fehler sie dabei vermeiden müssen.
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