Die Wahrheit: Eine goldene Uhr zum Vierteljahrhundert
Jubilare sind „Botschafter der Unternehmenskultur“, heißt es auf einer opulenten Feier der 25-jährigen Betriebszugehörigkeit des Wahrheit-Redakteurs.
D as wäre doch nicht nötig gewesen! Mit großer Verblüffung und noch größerer Freude hat der Autor dieser Zeilen eine besondere Ehrung über sich ergehen lassen. Dabei hätte er beinahe gar nicht bemerkt, dass er in diesen Tagen seine 25-jährige Betriebszugehörigkeit feiert. Am 1. Februar 2000 trat er in die Dienste der taz ein und ist seither als Wahrheit-Redakteur für die Berliner Tageszeitung tätig.
Dieses überaus wichtige Datum nahmen Chefredaktion und Geschäftsführung der taz nun zum Anlass, die wahrlich bewegten Ereignisse des zurückliegenden Vierteljahrhunderts Revue passieren zu lassen und dem Jubilar eine goldene Uhr der Marke Breitling zu überreichen – mit Gravur: „Für treue Dienste zum 25.“
In sehr persönlichen Worten hoben die direkten Vorgesetzten die Leistungen sowie Verdienste des Anwesenden hervor und brachten zum Ausdruck, wie sehr das Unternehmen die Zusammenarbeit wertschätzt. Durch seine jahrzehntelange und solide Betriebszugehörigkeit sei die berufliche Laufbahn eng mit der Geschichte der taz verknüpft. Er habe nicht nur das Gesicht des Unternehmens geprägt, sondern dieses auch maßgeblich mitgestaltet. Langjährige Mitarbeiter seien das Herzstück eines Unternehmens, sie seien wie das Fundament eines Hauses – unverzichtbar, hieß es zur Überleitung in einen launigen Umtrunk, bei dem zunächst ein üppiger Blumenstrauß mit 25 roten Rosen und dann eine Flasche des irischen Whiskeys Writer’s Tears überreicht wurden, die den Empfänger zu Tränen rührte.
Doch war all dies nicht genug der Würdigung. Die Panter Stiftung überreichte dem Jubilar zusätzlich eine silberne Ehrennadel und eine eigens gestaltete Ehrenurkunde. Da wollte die Geschäftsführung nicht nachstehen und überraschte den Hochgelobten mit einem Monatslohn extra sowie einem Einkaufsgutschein im FrischeParadies. Fast wäre bei aller Freude die eine Woche Sonderurlaub vergessen worden, ein großes Hallo gab es allerdings für den Frei- und Rundflug über Berlin, den der Geehrte im Frühjahr nutzen werde, wie er versprach.
Verlesen wurde überdies ein Grußwort des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner, der bei allen inhaltlichen Differenzen die tiefe humoristische Verbundenheit des, wie Wegner scherzhaft anmerkte, „Silberrückens“ zum politischen Personal der Hauptstadt betonte.
Mit den Geschenken und der prunkvollen Feier, der die bunte Bühnenshow einer Live-Band folgte, wolle man Respekt und Achtung ausdrücken, schließlich seien Jubilare auch „Botschafter der Unternehmenskultur“, versicherten die Verantwortlichen dem Gepriesenen, der, tief ergriffen, einen kräftigen Schluck Champagner nahm und sich, wie er in seiner kurzen Dankesrede versicherte, schon auf das 50. Dienstjubiläum freue. Dann müssten sich die Verantwortlichen aber etwas Neues einfallen lassen. Mit einer schlichten goldenen Uhr sei es da nicht getan.
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