Die Wahrheit: Schluss mit 2025!
Wenn die Wirklichkeit vollkommen ungeniert in grobkörnigem Bullshit versinkt, muss die Satire ihre traditionellen Waffen strecken.
S prengung der Weltordnung, Bedrohung der Demokratie, Massenabschiebung von Minderheiten. Klar, das sind schon auch irgendwie Probleme. Aber bei all dem Getöse wird über das erste Opfer der Wiederkehr von Donald Trump kaum ein Wort verloren: die Satire.
„Das ist doch Realsatire!“, war lange Zeit eine Phrase von Leuten, die in der Regel weder etwas von dieser Kunstform noch von dem Sujet, über das sie gerade lamentierten, verstanden. Doch wirkt plötzlich die gesamte Realität wie eine grotesk übergeigte Kabarettveranstaltung für sehr schlichte Gemüter.
Noch vor vier Wochen wäre es in jedem Satireformat ein sicherer Lacher gewesen, eine Pointe daraus zu bauen, dass sich Trump Grönland, Kanada oder den Panamakanal einverleiben will, aber heute werden genau solche Pläne aufgeregt diskutiert und bis hin zum Bundeskanzler hinauf mit ernster Miene zurückgewiesen. Der dänische König hat in seinem Wappen den Eisbären größer gemacht! Das ist kein Witz, sondern hat Nachrichtenwert.
Bei der kleinen, aber feinen Vorlesegruppe Brauseboys, mit der ich seit nunmehr 19 Jahren einen satirischen Jahresrückblick gestalte, haben wir eine feste Rubrik, in der wir eine Nachrichtensendung imaginieren, die ein paar Jahre in der Zukunft spielt. Da wäre noch in dieser Saison ein garantierter Lacher gewesen, zu vermelden, Donald Trump habe die Umbenennung des „Golfs von Mexiko“ in „Golf von Amerika“ gefordert. Keine schlechte Pointe.
Leider sind nicht wir drauf gekommen, sondern Trump. Was soll man da noch „überspitzen“, wie es Satire lehrbuchmäßig verlangt? Soll man den Präsidenten fordern lassen, ihn in „Golf von Trump“ umzubenennen? Wer würde darauf wetten, dass der Vorschlag von ihm nicht als Nächstes kommt?
Es ist ein bisschen wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel. Trump ist immer schon da, egal, wo man hinüberspitzt. Bei einem völlig überdrehten, bescheuert herumhüpfenden Sidekick wie Elon Musk, der Millionen Dollar an Wähler verlost, wenn sie denn für seinen Buddy stimmen, hätten doch selbst die bräsigsten altlinken Old-School-Kabarettisten abgewunken: zu klischeehaft, zu platt, zu antiamerikanisch. Und nun lässt eine solche Schießbudenfigur von einer ebenso mäßig begabten KI die von ihm zur „Weld“ verballhornte Postille vollschreiben und für die Viertel- bis Vollnazitruppe AfD werben. Dazu hätte man sich als Kabarettist vielleicht ausgedacht, dass Christian Lindner jammern könnte, Musk habe inhaltlich ja recht, nur empfehle er die falschen Radikalen, er solle doch lieber seine FDP nehmen, er sei auch gerne bereit, sie ihm persönlich vorzustellen – aber ach, was soll ich sagen?
Auf Satiriker warten derzeit also massenhaft dornige Chancen, und da haben wir über Mark Zuckerbergs Kniefall vor Musk und Trump noch gar nicht gesprochen. Also, meinetwegen könnte man nach einer Woche 2025 eigentlich schon Schluss machen mit diesem Jahr.
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