Die Wahrheit: „Bielefeld war mehr als perfekt“
Das wahre Interview: Ein geheimes und heimlich geführtes Gespräch mit der guten Seele und Chefsekretärin der jüdischen Weltverschwörung.
Sie ist eine ältere Dame, wie man sie vielleicht im Kurcafé von Bad Salzuflen erwarten würde, im Film könnte man sie als Miss Marple besetzen, denken wir, als sie sich zu uns auf die Parkbank setzt. Dabei übte Dana Bolke (Name von der Redaktion geändert) bis zum 30. Juni 2024 einen der spannendsten Jobs der Welt aus – unerkannt in Bielefeld.
taz: Herzlichen Glückwunsch zur Pensionierung, Frau Bolke. Das war doch sicher ein hektischer Job, den Sie die letzten 40 Jah…
Dana Bolke: 41!
… den Sie die letzten 41 Jah…
Und 7 Monate!
Stimmt, mit Zahlen nehmen Sie Juden es ja genau. Den Sie so lange ausgeübt haben.
Ja, manchmal war’s schon recht hektisch.
Wieso unterhalten wir uns draußen im Park?
Aus Sicherheitsgründen, ich muss jederzeit schnell verschwinden können. Außerdem wohn ich da vorne. (Sie deutet auf unscheinbares Mietshaus am Parkrand.)
Frau Bolke, Sie waren bis zu Ihrer Pensionierung ständige Sekretärin der jüdischen Weltverschwörung.
Chefsekretärin!
Und wer war der Chef?
Das kann ich Ihnen natürlich nicht sagen. Nur so viel: Verschwörungen sind immer in Zirkeln organisiert, das haben wir auch immer so gehalten.
Und was waren Ihre Aufgaben?
In erster Linie die Mitgliederkartei pflegen. Sie müssen ja ständig alle aktuellen Kontaktadressen von sämtlichen Jüdinnen und Juden haben – und das weltweit! Das sind knapp 15 Millionen Datensätze! Das ist einmal das Telefonbuch von Istanbul! Und das DSGVO-konform.
Oha!
Nicht auszudenken, so eine Datei würde gehackt! Und dann noch all die Ehrenmitglieder einpflegen!
Ehrenmitglieder?
Ja! Den Bill Gates zum Beispiel.
Ach, der ist gar nicht …?
Nein, Katholik.
Wie müssen wir uns Ihren Arbeitsplatz vorstellen? Ein Glastower, darin der Konferenzraum der jüdischen Weltverschwörung und Sie da im Vorzimmer?
Und jedes Mal, wenn George Soros an mir vorbei geht, flirtet er etwas mit mir? Ich bitte Sie, der Gute ist 94. Sie verwechseln mich gerade mit Miss Moneypenny!
Also kein Kontakt?
Das habe ich nicht gesagt. Der Herr Soros hat ja ganz schlimme Dyskalkulie. Oft kam er zu mir, wenn er was ausrechnen musste.
Ach was! Wie müssen wir uns Ihren Arbeitsplatz dann vorstellen?
Ich arbeitete im Homeoffice. Im Weltjudentum haben wir schon weit vor Corona damit gearbeitet.
Und das war da drüben in der Wohnung?
Im Nähzimmer, wenn Sie’s genau wissen wollen. Mein Mann durfte ja nichts mitkriegen.
Und der wundert sich nicht, dass in Ihrem Nähzimmer nun Ihre Nachfolgerin sitzt?
Nein. Das Sekretariat befindet sich heute natürlich ganz woanders.
Wo denn?
Netter Versuch. Aber das weiß ich selber nicht.
Gab es nie Probleme?
Nun, einmal drohte meine Tarnexistenz aufzufliegen. Mein Mann wollte, dass ich mal richtig arbeiten gehe, anstatt von früh bis spät im Nähzimmer am Laptop rumzuhängen. Aber da hatte der Bill dann die Idee mit dem Virus.
Wie bitte?
Na ja, ein weltweites Virus freizusetzen, das die Menschheit dazu zwingt, zu Hause zu arbeiten.
Es ist ja schon überraschend, dass das Sekretariat der jüdischen Weltverschwörung ausgerechnet in Bielefeld residierte – der Stadt, die angeblich gar nicht existiert.
Das Chefsekretariat!
Und wir alle wissen ja, dass ohne die Chefsekretärin nichts läuft im Betrieb!
Sie schmeicheln mir, haben in der Sache aber natürlich völlig recht. Bielefeld war perfekt. Welcher Ort eignet sich besser für eine Organisation, die es eigentlich nicht gibt? Was haben Sie geglaubt? Dass ich in der Besenkammer des Bankhauses Rothschild hocke? Es würde mich nicht überraschen, wenn das neue Sekretariat in Teheran wär. Oder im Trump-Tower. Oder in einem AfD-Büro in Brüssel, die kriegen ja so gar nicht mit, wer für sie arbeitet (kichert).
Können Sie uns einen klitzekleinen Einblick in Ihre Tätigkeiten geben?
Zuletzt musste ich ja den Eurovision Song Contest organisieren.
Nicht wirklich!
Doch. All die dummen Sender der EBU bestechen, die Angriffs- und Verteidigungskrieg nicht auseinanderhalten konnten! Und dann die ganzen Anrufe organisieren! Als gäb’s nichts Wichtigeres auf der Welt als eine musikalisch eher mittelmäßige Schmachtballade …
Die Anrufe für Israel haben alle Sie gemacht?
Natürlich nicht! Aber ich musste alle dran erinnern anzurufen! Und machen Sie das mal bei 15 Millionen Leuten! Und dann muss man einen Herrn Soros natürlich noch mal extra dran erinnern. Der hat ja keine Ahnung von diesem schrecklichen Contest, dem muss man das erst mal erklären, was das ist und wieso Israel nicht Letzter werden darf. Und beim Semifinale war in New York noch nicht mal Börsenschluss!
Apropos New York. Dort behaupten ja manche, dass sich Ihre Führung von Babys ernährt. Ist das wahr?
Tut mir leid, darüber spreche ich gar nicht gern.
Wieso?
Finden Sie da mal den passenden Caterer! Und wer muss sich darum kümmern? Die Chefsekretärin: „Frau Bolke, am Mittwoch trifft sich der Inner Circle, organisieren Sie bitte das Büffet! Und Sie wissen schon, es muss für alle reichen, knick-knack.“ Hören Sie mir auf damit! Und diese ganzen Details! Woher nehmen? Und wie kriegen wir es hin, dass keinem Menschen all die vielen fehlenden Babys auffallen? Schrecklich so was!
Aber Sie haben diese Probleme mit Bravour gelöst!
Ja, es gab immer nur Tofu. Ist nie jemandem aufgefallen. Da zahlten sich die ganzen Weingüter mal aus. Haben Sie noch weitere unappetitliche Fragen?
Ja, viele.
Tut mir leid, ich hab schon viel zu viel erzählt.
Was sagen Sie denn zum Nahostk…
(Doch mit einem beherzten Sprung über die Lehne ist Dana Bolke hinter der Bank verschwunden. Im Gebüsch finden wir nur noch ihr Jäckchen und eine weißgraue Perücke. An dem Haus, auf das sie eingangs zeigte, steht zwar „Bolke“ auf dem Klingelschild, doch Herr Bolke reagiert unwirsch, als wir ihn nach der Frau fragen, die aus seinem Nähzimmer heraus die jüdische Weltverschwörung koordinierte.)
Herr Bolke: „Frau? Nähzimmer? Hör’n Se, ich wohn hier allein: ein Zimmer, Küche, Klo auf halber Treppe. Und Chefsekretärin der wat …? Ham Sie Lack gesoffen?“
Frau Bolke, wo auch immer Sie diese Worte lesen: Vielen Dank für das Gespräch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil